Bundesbern will Militärpflichtersatzabgabe nicht streichen
Bluter sollen weiter blechen

Der Kanton Luzern will Dienstwillige mit Geburtsgebrechen und einem Invaliditätsgrad von unter 40 Prozent von der Wehrpflichtersatzabgabe befreien. In Bundesbern aber stösst er damit auf taube Ohren.
Publiziert: 16.01.2024 um 08:42 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2024 um 15:10 Uhr
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Wer an einer Erbkrankheit wie Diabetes oder der Bluterkrankheit leidet, darf keinen Dienst leisten – sogar wenn er das möchte.
Foto: Keystone
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Gerne hätte der Schreiner aus der Luzerner Agglomeration Militärdienst geleistet. Nur: Er darf nicht. Der Mann leidet an der Erbkrankheit Hämophilie, der Bluterkrankheit. Verletzt er sich, stoppt der Blutfluss nicht mehr so schnell.

Das ist der Armee zu heikel. Sie hat den Handwerker abgelehnt. Stattdessen soll er eine Wehrpflichtersatzabgabe leisten, bis er 37 Jahre alt ist. Das gilt auch für andere Erbkrankheiten wie Diabetes.

Dienstwillige empfinden Abgabe als ungerecht

Für die Betroffenen gilt: Wer keinen Dienst leistet, muss zahlen. Fällig werden jedes Jahr drei Prozent des steuerbaren Einkommens. Das sind keine Unsummen, zumal die Abgabe aufgrund einer als nicht erheblich eingestuften Behinderung halbiert wird. Mit den Jahren aber kommt aber einiges zusammen.

Der Luzerner Mitte-Kantonsrat Daniel Piazza (45) findet das ungerecht. Es sei nicht in Ordnung, dass Betroffene weiter Militärersatzabgabe zahlen müssen, erklärte er dem Nachrichtenportal Zentralplus.

Und tatsächlich hat er das Luzerner Kantonsparlament im vergangenen April dazu gebracht, eine Standesinitiative einzureichen: Dienstwillige Personen mit Bluterkrankheit oder Diabetes sollen von der Ersatzabgabe befreit werden. Ein Anliegen, das auch von der Schweizer Hämophilie-Gesellschaft unterstützt wird.

Dabei geht es nicht nur um die Abgabe selber. Die Situation werde von den betroffenen Dienstwilligen vor allem als ungerecht empfunden: «Sie sind abgabenpflichtig, obwohl sie bereit wären, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Dienst zu leisten», argumentierte der Luzerner Kantonsrat.

«Damit wäre diese Abgabe faktisch abgeschafft»

In Bundesbern aber stossen die Luzerner auf taube Ohren. Die vorberatende Sicherheitskommission (SiK-S) des Ständerats schmettert das Begehren des Kantons Luzern mit zehn zu null Stimmen bei einer Enthaltung ab – und das ausgerechnet unter dem Präsidium der Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür (59).

Die Annahme der Standesinitiative würde bedeuten, «dass alle dienstuntauglichen Personen, die dienstwillig sind, denen es aber aus irgendeinem Grund unmöglich ist, Militärdienst zu leisten, ohne Erfüllung weiterer Bedingungen von der Ersatzabgabe befreit wären», begründet Gmür in ihrem Bericht.

Und das passt der Kommission nicht. Denn: «Damit wäre diese Abgabe faktisch abgeschafft, was die SiK-S namentlich aus Gründen der Wehrgerechtigkeit ablehnt.»

Bund hat extra einen Spezialdienst geschaffen

Auch der Bundesrat hat sich schon 2020 gegen das Anliegen geäussert. Denn dieses würde zu einer Rechtsungleichheit führen, argumentierte die Landesregierung auf eine Anfrage von Mitte-Nationalrätin Marie-France Roth Pasquier (55). So bestehe kein Anspruch auf normalen Militärdienst. Daher bestehe auch kein Anspruch darauf, dass Untaugliche keine Ersatzabgabe bezahlen müssten, wenn sie zwar gerne Dienst leisten würden, aber nicht zugelassen werden.

Gleichzeitig wies der Bundesrat darauf hin, dass der Bund nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2009 einen militärischen Spezialdienst geschaffen hat. Seither können Personen mit einer Einschränkung von weniger als 40 Prozent unter Umständen als Betriebssoldat ohne Waffe Dienst leisten.

Zwischen 2013 und 2019 seien deshalb 974 Personen neu beurteilt worden. 763 wurden für diesen Militärdienst als tauglich beurteilt, 111 Personen auch für diesen Dienst für untauglich erklärt. Davon wiederum wurden 42 wegen einer Integritätseinschränkung von mindestens 40 Prozent von der Ersatzabgabe befreit. Die verbleibenden 69 Personen hingegen müssen weiter Abgaben leisten.

Eine Zahl, die das Problem etwas relativiert. Auch der erwähnte Luzerner Schreiner muss nicht mehr zahlen. Nachdem sich die Hämophilie-Gesellschaft beim Bund beschwert hatte, wurde er von der jährlichen Abgabe befreit.

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