Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat die kantonalen IV-Stellen zum Sparen gezwungen. Wie der «Tagesanzeiger» publik macht, hat das BSV für jede der 26 IV-Stellen ein jährliches Sparziel verordnet.
Für die meisten IV-Stellen hiess das Ziel 2018: «halten oder senken» der Neurentenquote, «halten oder senken» der Gesamtrentenzahl sowie «halten oder senken» der Kosten pro Versicherten.
BLICK und SonntagsBlick hatten über zahlreiche Fälle berichtet, in denen Pfusch-Ärzte IV-Gutachten erstellt hatten aufgrund derer offensichtlich körperlich oder geistig eingeschränkten Menschen die IV-Renten gekürzt wurden.
Externe Überprüfung der Pfusch-Ärzte
Der zuständige SP-Bundesrat Alain Berset (47) hat lange zugesehen. Sein Departement verwies auf die Kantone oder aufs BSV. Jetzt heisst es, schon im November seien Massnahmen getroffen worden. Tatsächlich hat der Sozialminister am Montag angekündigt, die Gutachter von externer Stelle überprüfen zu lassen.
Jetzt scheint dem Sozialdemokrat die Tragweite des IV-Skandals tatsächlich zu dämmern. Und er hat offenbar Anzeichen dafür, dass die Probleme auch in seinem BSV liegen könnten. Darum hat Berset jetzt eine interne Untersuchung gegen die Aufsichtstätigkeit seines Amts eingeleitet, wie Sprecher Peter Lauener dem «Tagesanzeiger» bestätigte. Hauptgegenstand der Untersuchung seien die Zielvorgaben an die IV-Stellen, heisst es im Artikel.
Laut diesem Artikel hatte das BSV Basel-Stadt und Graubünden für 2018 beispielsweise vorgegeben, die Rentenzahl müsse sinken. Der Verdacht liegt nahe, dass sich die IV-Stellen der beiden Kantone gezwungen sahen, besonders kreativ nach Wegen suchen, um die IV-Renten einzuschränken.
Es geht nur noch um die Quote
Die Behindertenverbände werfen der IV schon länger vor, sie prüfe nicht mehr überall, auf welche Leistungen ein Versicherter Anspruch habe, sondern wie das Quotenziel erreicht werden könne, wird Alex Fischer von der Behindertenselbsthilfe Procap zitiert.
Er sieht gar die Gleichbehandlung der Versicherten gefährdet: Je nachdem, was der Direktor einer IV-Stelle mit dem BSV ausgehandelt habe, habe ein Versicherter bessere oder schlechtere Chancen auf eine Rente. Anders gesagt: Wohnt jemand in einem Kanton mit strikter Sparvorgabe, muss er damit rechnen, wenig oder nichts zu erhalten, während er in einem anderen Kanton seinen gesamten Anspruch geltend machen könnte.
Unter Parteifreunden
Das BSV redet sich in einer schriftlichen Stellungnahme heraus, die Leistungsziele seien gar keine Sparvorgaben. «Ziele sind Teil des Aufsichts- und Steuerungsprozesses in der IV. Dieser dient dazu, dass einerseits alle Versicherten die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen erhalten und dass andererseits die IV-Stellen keine Leistungen gewähren, auf die kein Anspruch besteht.»
Je nach Ausgang der internen Untersuchung könnten die Zielvorgaben rechtliche Konsequenzen für Verantwortliche im BSV haben. Das Amt steht unter der Leitung von Stéphane Rossini (56). Der alt Nationalrat aus der Romandie ist ein Parteifreund des Freiburgers Bersets. Er hat den Direktorenposten im BSV aber erst Anfang diesen Monats als Nachfolger von Jürg Brechbühl (63) übernommen. Brechbühl stand seit 2012 an der Spitze des BSV. Auch er gehört der SP an. (pt)