Etwa 85 Prozent der anerkannten Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen beziehen Sozialhilfe. Eine enorme Bürde für Kantone und Gemeinden. Bund und Kantone nehmen daher einen neuen Anlauf, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Das Potenzial ist beträchtlich – glaubt man den Studien. Bund und Kantone gehen davon aus, dass rund 70 Prozent aller Flüchtlinge das Potenzial haben, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und selbst für sich und ihre Familien zu sorgen. Das könnte die Sozialhilfekosten natürlich enorm senken.
Schnelle und verbindliche Ziele
Die Ende März von Bund und Kantonen verabschiedete Integrationsagenda sieht verschiedene Massnahmen vor und legt konkrete Ziele fest. Diese hat Asylministerin Simonetta Sommaruga heute vorgestellt:
- Alle Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen sollen drei Jahre nach ihrer Einreise Grundkenntnisse einer Landessprache haben.
- Nach sieben Jahren sollen 50 Prozent von ihnen arbeiten.
- Dazu wird auch das Angebot erweitert: bei Sprachkursen, aber auch bei Vorbereitungskursen für die Berufsausbildung, denn viele Flüchtlinge haben die schulischen Voraussetzungen nicht, direkt eine Lehre zu beginnen.
- Wer kaum Potenzial hat, selbst zu arbeiten, soll zumindest so weit integriert werden, dass er sich gut in das Schweizer Alltagsleben einpasst.
Um den Förderbedarf individuell zu klären, soll das Potenzial jedes einzelnen Flüchtlings abgeklärt werden. Zudem wird jeder während des ganzen Integrationsprozesses durch eine Fachperson verbindlich begleitet.
Bund nimmt dreimal so viel Geld in die Hand
Das kostet natürlich. Und diese Kosten wird vor allem der Bund tragen. Statt wie heute 6000 Franken pro Jahr zahlt der Bund ihnen künftig 18'000 Franken. Dies zusätzlich zur Pauschale, die die Kantone für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge erhalten.
Ausgehend von rund 11'000 anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen pro Jahr, führt das zu jährlichen Mehrausgaben von 132 Millionen Franken. Allerdings erhofft sich der Bund, dass sich diese Mehrkosten langfristig auszahlen – weil man eben Ausgaben für Sozialhilfe spart. Pro eingesetzten Franken in der Integrationsagenda soll die öffentliche Hand auf lange Sicht bis zu vier Franken einsparen.
Kantone sollen aktiver werden
Der Bundesrat erwartet von den Kantonen im Gegenzug, dass sich alle künftig mehr für die Integration der Flüchtlinge engagieren. Denn heute gibt es grosse kantonale Unterschiede. Einige Kantone bemühen sich sehr um die Integration, andere kassieren vornehmlich die Pauschale des Bundes, machen dafür aber nicht allzu viel.
Es gibt auch wenig Anreize: bei Flüchtlingen kommt nämlich der Bund fünf Jahre lang für die Sozialhilfe auf, bei vorläufig Aufgenommenen sogar sieben Jahre. (sf)