6,5 Millionen Franken können Chemiefirmen nicht zugemutet werden. Diese Summe hätten Lonza und Syngenta einmalig zahlen müssen, um die gefährlichen Chlor-Transporte von Frankreich ins Wallis sicherer zu machen. Daraus wird nichts. Der Bund nimmt Rücksicht auf die Unternehmen - statt auf die Bevölkerung. Dabei liegen auf dem Transportweg Schweizer Grossstädte wie Genf und Lausanne.
Doch statt die Hindernisse entlang der SBB-Strecke aus dem Weg zu räumen, drosseln die Güterzüge bloss ihre Geschwindigkeit. Nicht zuzumuten seien den beiden Firmen nämlich nicht nur der einmalige Betrag, sondern auch, dass sie das Chlor - mit dem beispielsweise umstrittene Pestizide hergestellt werden - vor Ort im Wallis selbst produzieren. Das sei nicht wirtschaftlich, sagte Daniel Bonomi vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf Radio SRF, das die neueste Entwicklung bei den Chlor-Zügen publik machte. Das Bafu gehört zum Departement der neuen SP-Umweltministerin Simonetta Sommaruga (59).
Betonsockel, Zäune oder Panzersperren
430 Hindernisse hatten die SBB entlang der Güterbahnstrecke von Genf ins Wallis gezählt - das sind beispielsweise alte Betonsockel, Zäune oder Panzersperren. Das alles seien «potentielle Todesfallen, wenn ein Chlortransport entgleist», heisst es im Radiobeitrag.
Und weil diese Hindernisse eine derart grosse Gefahr darstellen, hatten die SBB, der Bund und der Verband der chemischen Industrie, Science Industries, vor drei Jahren entschieden, die Hindernisse müssten weg. Jetzt plötzlich ist das nicht mehr geplant, wie Bonomi in der Sendung bestätigte. Stattdessen fahren Chlor-Züge nun nur noch Woche für Woche mit Tempo 40 durch die Romandie.
Tonnenweise Chlor durch dicht besiedeltes Gebiet
Dabei führen die Chlor-Züge den gefährlichen Stoff tonnenweise durch dicht besiedeltes Gebiet. Plötzlich hat man jetzt beim Bund aber das Gefühl, das verminderte Tempo reiche aus, dass nie ein Kesselwagen entgleist und deshalb nie eines der über 400 Hindernisse entlang der Strecke einen der Güterwägen aufschlitzt. Vor wenigen Jahren ging man noch davon aus, dass es trotz der geringeren Geschwindigkeit zu Entgleisungen kommen kann und die Gefahr einer Chemie-Katastrophe derart gross ist, dass die Hindernisse dringend weg müssen.
«Aufgrund internationaler Untersuchungen kann man berechtigt davon ausgehen, dass bei einem Bahnunfall mit 40 Kilometern pro Stunde die Kesselwagen nicht aus den Geleisen geworfen werden», lautet die offizielle Begründung von Bafu-Mann Bonomi heute, weshalb man die Westschweizer nicht mehr zusätzlich schützen muss.
Grüne gehen in Genf und Waadt auf die Barrikaden
Weil der Bund die Romandie mit der Gefahr alleine lässt, gehen die Grünen nun auf die Barrikaden. An vorderster Front Vizepräsidentin und Nationalrätin Lisa Mazzone (31, GE). Sie kämpft seit längerem gegen die gefährlichen Chlor-Züge. Für Mazzone reicht die Temporeduktion bei weitem nicht aus, um die Gefahr einzudämmen, dass eine Chlor-Wolke die Westschweiz bedroht.
Die Grünen werden nun in den Kantonen Genf und Waadt tätig. In den beiden Kantonen also, für die die Chlor-Züge am gefährlichsten sind. (pt)