Der Entscheid des Bundes löst bei Fachpersonen Unverständnis aus. Aus Spargründen stoppt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Ende August hin ein Programm zur Überwachung von Covid- und Grippe-Fällen an Schweizer Spitälern. Das berichtet die Westschweizer Zeitung «Le Temps».
Bis heute müssen grosse Spitäler dem Bund melden, wie viele an Corona erkrankte Patientinnen und Patienten gerade hospitalisiert sind, und dazu Angaben liefern wie beispielsweise Alter, Krankheitsverlauf und ob jemand geimpft ist oder nicht. Auch allfällige Covid-Todesfälle müssen die Spitäler melden. Das Spital-Monitoring war in der Corona-Pandemie weiterentwickelt worden und ist ein Element, mit dem die Behörden die Covid-Lage beobachten.
Bund hat kein Geld mehr für Überwachung
Nun aber ist damit Schluss. Der Entscheid ist den Spitälern laut «Le Temps» Mitte Juli kommuniziert worden. Das BAG begründet ihn damit, dass die befristeten Kredite für das Betreiben des Systems auslaufen und das BAG wegen Sparvorgaben des Bundes das Budget kürzen müsse. Da liegt die Überwachung der Krankheitsverläufe von Covid- und Grippe-Patientinnen und Patienten in den Spitälern «aufgrund der beschränkten Automatisierung und des hohen Ressourcenbedarfs» nicht mehr drin, wie ein Sprecher auf Blick-Anfrage mitteilt. So könne das Erfassen einer einzelnen Meldung bis zu einer Stunde dauern.
Ebenfalls auslaufen wird die Finanzierung für das Abwasser-Monitoring, das einen wichtigen Überblick darüber gibt, welche Virusvarianten gerade wie stark in der Bevölkerung zirkulieren. Dieses will der Bund weiterführen – doch es ist offen, wie. Der Bund arbeite mit Partnern an einer Lösung, so das BAG.
Experten bedauern Entscheid und warnen
Laut «Le Temps» sollen besorgte Mediziner in einem Schreiben an die Gesundheitsbehörde ihr «tiefes Bedauern» wegen des Entscheids geäussert haben. Man mache damit einen grossen Schritt zurück, sagt eine Fachperson, die anonym bleiben will, zur Zeitung. Eine andere Person wirft dem Bund «einen eklatanten Mangel an Vision und Kompetenz» vor.
Mehr zur aktuellen Covid-Lage
Etwas diplomatischer, aber ebenfalls kritisch äussert sich Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie und Infektionsprävention am Kantonsspital Aarau. Die Spitaldaten seien als Ergänzung zu den Abwasserdaten wichtig, um festzustellen, wie krank ein neuer Virustyp macht. Aus den Daten könne man beispielsweise Schlüsse ziehen, welche Personen besonders gefährdet sind und ob sich das Beschwerdebild ändert. «Es ist schade, dass das nun nicht mehr möglich ist.» Fux sagt, er hätte es begrüsst, wenn man die Überwachung zumindest in abgespeckter Form fortgeführt hätte.
Bund arbeitet an Lösung
Im Kantonsspital Aarau liegen derzeit mehrere Patientinnen mit Covid, eine Person liegt mit einer schweren Lungenentzündung auf der Intensivstation. «So einen schweren Verlauf haben wir schon lange nicht mehr gesehen», sagt Fux. Bei solch eindrücklichen Verläufen stelle sich immer die Frage, ob es sich um einen Einzelfall handle oder ob auch andere Spitäler wieder vermehrt schwere Fälle beobachten. Dafür sei ein Monitoring sinnvoll.
Ein solches ist nicht komplett vom Tisch. Bald wird sich das Parlament mit der Überarbeitung des Epidemiengesetzes befassen. Dabei soll laut BAG auch eine rechtliche Grundlage für ein dauerhaftes Überwachungssystem für übertragbare Krankheiten geschaffen werden. Dies dürfte aber frühestens in ein paar Jahren in Kraft treten. Und die Frage nach der Finanzierung wird auch dann Thema sein.