Bund fördert Pestizide mit 15 Millionen Steuerfranken
Jetzt wollen Politiker die Subvention stoppen

Der Staat hält die Preise für Umweltgifte künstlich tief. Das soll sich nun ändern, fordert eine CVP-Nationalrätin.
Publiziert: 07.07.2019 um 00:13 Uhr
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Ein Landwirt besprüht ein Ackerfeld bei Biel-Benken mit Pflanzenschutzmittel.
Foto: Keystone
Reza Rafi

2019 ist alles anders. Plötzlich ist Umweltschutz Mainstream. Massnahmen wie die Gletscher-Initiative werden mehrheitsfähig. Die FDP ist grün geworden. Und das Parlament zankt um die Trinkwasser-Initiative, die Biobauern fördern will. Hier geht es um die Kernfrage: Wie viele chemische Pflanzenschutzmittel verträgt die Natur?

Nur etwas liegt da quer in der Landschaft: die Subven­tionspolitik des Bundes, was Pestizide betrifft. Es ist nicht nur so, dass der Staat die diversen Gifte zulässt – er fördert deren Einsatz kräftig.

Statt mit den vorgesehenen acht Prozent Mehrwertsteuer werden die Substanzen nur mit dem reduzierten Steuersatz von 2,5 Prozent belastet. Genau wie Lebensmittel, Medikamente oder Zeitungen.

Voller statt reduzierter MwSt.Satz auf Pestizide

Mit anderen Worten: Landwirte, Industrie und Private profitieren von günstigeren Preisen für die chemischen Sprühmittel. Die Zeche zahlt die Allgemeinheit durch die Einbusse von Steuereinnahmen.

Damit soll nun Schluss sein. Aus der CVP-Fraktion ist am 20. Juni eine entsprechende Motion eingereicht worden. Diese will den Mehrwertsteuersatz für Pestizide auf 7,7 Prozent anheben. Im gegenwärtigen politischen Klima dürfte das Ansinnen aus der Mitte durchaus Chancen haben.

Urheberin ist die Zürcher ­Nationalrätin Kathy Riklin (66). «Pestizide sind keine Nahrungsmittel», begründet die promovierte Naturwissenschaftlerin ihren Vorstoss. «Sie belasten Böden und Gewässer und sollen möglichst sparsam eingesetzt werden.» Es gebe «überhaupt keinen Grund, sie dem reduzierten Steuersatz zu unterstellen».

Gift für 270 Millionen

Immer wieder war diese versteckte staatliche Förderung von Gifteinsätzen ein Thema in der Politik. Bislang ohne Folgen. Der Dachverband Biosuisse zum Beispiel fordert schon länger den Stopp dieser Praxis.

Aufschlussreich ist eine Interpellation des Basler SP-Nationalrats Beat Jans (54) 2016. In ihrer Antwort auf Jans’ Vorstoss gewährte die Verwaltung einen Einblick in die wahre Grössenordnung dieser Subvention: Es sind rund 15 Millionen Steuerfranken, die der Agrarbranche jährlich geschenkt werden.

Aus dieser offiziellen Angabe lässt sich auch der Umfang des Pestizideinsatzes in der Schweiz hochrechnen: Demnach wird pro Jahr für etwa 270 Millionen Franken Chemie auf Wiesen, Äcker und Plantagen gespritzt.

Pestizide gleichgestellt mit Lebensmitteln

Bereits in der nationalrätlichen Debatte um einen Gegenvorschlag für die Trinkwasser-Initiative kritisierte Riklin, dass die chemischen Mittel dem gleichen Mehrwertsteuersatz unterstellt sind wie «Grundnahrungsmittel, Brot und Milch – mindestens ein normaler Mehrwertsteuersatz auf Pestizide wäre dringend nötig!»

Ihr Votum richtete sich an den anwesenden Bundesrat Guy Parmelin (59). Als ehemaliger Weinbauer und SVP-Politiker kann der Westschweizer wenig mit den derzeitigen ÖkoBestrebungen anfangen.

Innerhalb der Bundesbehörden sind die Positionen nicht einheitlich – das Bundesamt für Landwirtschaft gilt im Öko-Dossier als Bremser, das Bundesamt für Umwelt als Treiber.

2016 äusserte die Verwaltung als Antwort auf Beat Jans' Interpellation zwar Zweifel, ob ein höherer Steuersatz eine Lenkung bewirke.

Die Beamten sagten damals aber auch: «Es liegt ein gewisser Widerspruch zu den Umweltzielen vor, wenn die Düngemittel und Pestizide bei der Mehrwertsteuer zum reduzierten Satz besteuert werden.»

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