Enea Martinelli (53), Chefapotheker der Berner Spitäler Meiringen, Frutigen und Interlaken, ist entnervt. Grund ist die Meldungs-Bürokratie bei neuen, positiv getesteten Corona-Fällen. «Eine halbe Arbeitsstelle geht für das Ausfüllen irgendwelcher Listen drauf», kritisiert Martinelli. Kein Wunder: Bei Corona-Verdacht müssen Ärzte aktuell von Hand ein Formular ausfüllen und es innert 24 Stunden ans Bundesamt für Gesundheit (BAG) schicken – per Fax. Auch dem Kantonsarzt muss Meldung gemacht werden.
Das macht das Digitalisieren der Daten und damit auch die Übersicht über die Entwicklung der Corona-Pandemie in der Schweiz sehr umständlich. «Im Moment ist der Anstieg der Zahlen so schnell dass wir Mühe haben alle die Daten einzugeben um die Analyse zu machen», sagte denn auch BAG-Mann Daniel Koch (64) am Dienstag.
Verstopfte Notfallstationen
Schneller geht die Corona-Meldung bei den Labors, die die Tests ausführen. Sie müssen dem BAG innert zwei Stunden Meldung machen – per E-Mail. Nur: Die Labors melden zwar das Testresultat, aber keine Details zum Patienten wie etwa Vorerkrankungen oder wo er sich aufgehalten hat.
Nicht alle Ärzte kommunizieren per Fax. Wie Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt, nutzt ein Teil ein elektronisches Informationssystem.
Beim BAG heisst es auf Anfrage, die «digitale Weiterentwicklung des Meldesystem auch für Ärzte ist weit fortgeschritten». Normalerweise melden Ärzte Fallzahlen nur an den Kanton. Die Meldung per Fax sei speziell dafür gedacht, dass sie die Corona-Fälle zusätzlich direkt ans BAG melden.
Besseres zu tun, als Formulare auszufüllen
Doch gerade das macht zumindest den Berner Gesundheitsdiensten das Leben noch schwerer. «Wir haben gewiss anderes zu tun, als Listen auszufüllen», sagt Enea Martinelli Martinelli. Denn die Notfallstationen seien vollgestopft mit Leuten, die getestet werden wollen – teilweise selbst dann, wenn gar keine Symptome da sind.
«Bei allem Verständnis für den Informationsbedarf: Es muss doch möglich sein, ein einzige Meldung zentralisiert einzugeben», schimpft Martinelli.
Kantone springen in die Bresche
Weniger Mühe macht die Datenerfassung dagegen in Zürich, wie Marcel Odermatt, Sprecher der Gesundheitsdirektion sagt. Im Kanton Zürich sind – Stand Mittwochmittag – 424 positive Fälle gemeldet. «Die Meldungen über zusätzliche Infizierte bereiten uns im Kanton Zürich mit seinen rund 3500 Ärzten im Kanton bisher keine nennenswerte Schwierigkeiten.»
Verschiedene Kantone haben nun angefangen, ihre Daten nicht nur ans BAG zu melden, sondern auch direkt zu veröffentlichen. Auf der Plattform GitHub kann man Datensätze zu allen gemeldeten Fällen inklusive Alter und Geschlecht der Kantone BE, BL, BS, TG und ZH herunterladen.
Zürich ist bei hier federführend. Der Kanton habe schon früh versucht, eine nationale Datenquelle zu schaffen, sagt Mathias Mazenauer vom Zürcher Statistikamt. «Da diese Bemühungen nicht gefruchtet haben, haben wir beschlossen, wenigstens die Zahlen des Kantons Zürich zu publizieren.» Zudem gehe Zürich weitere Kantone an, um auch deren Daten zu veröffentlichen.