Bündner Wahlen im Schatten des Baukartell-Skandals
Der wilde Kandidat Linard Bardill hat Chancen

Die ohnehin bereits spannenden Bündner Regierungswahlen vom 10. Juni stehen mittlerweile ganz im düsteren Schatten des Bündner Baukartell-Skandals. Wie die diversen Verstrickungen der Kandidaten mit der Affäre von der Stimmbevölkerung goutiert werden, ist die dominierende Frage des Urnenganges.
Publiziert: 22.05.2018 um 10:56 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:45 Uhr
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Der wilde Kandidat hat Chancen: Der Musiker Linard Bardill will Regierungsrat werden.
Foto: GIAN EHRENZELLER

Um die fünf Sitze in der Kantonsregierung kämpfen sieben Kandidaten, allesamt Männer, darunter drei bisherige. Wiedergewählt werden wollen Mario Cavigelli (CVP), Jon Domenic Parolini (BDP) und Christian Rathgeb (FDP). Zwei Sitze werden frei. BDP-Frau Barbara Janom Steiner (BDP) scheidet aufgrund der Amtszeitbeschränkung aus, der Sozialdemokrat Martin Jäger kandidiert altershalber nicht mehr.

SP ist frei von Baukartell-Schlammspritzern

Die SP will ihren Sitz verteidigen mit Grossrat Peter Peyer. Dem bekannten Gewerkschafter werden sehr gute Chancen auf Erfolg zugestanden. Er ist zudem frei von Baukartell-Schlammspritzern.

Die BDP hat ihren vakanten zweiten Sitz bereits kampflos aufgegeben. Nach der Aufdeckung des schweizweit grössten Falles von Bauabsprachen durch die Wettbewerbskommission (Weko) Ende April zog BDP-Mann Andreas Felix mitten im Wahlkampf seine Kandidatur zurück. Als Geschäftsführer des Graubündnerischen Baumeisterverbandes war seine Nähe zu den illegalen Preisabsprachen zu gross. Einen Ersatzkandidaten stellte die Partei daraufhin nicht.

BDP-Parolini könnte abgewählt werden

Auch der bisherige BDP-Regierungsrat Parolini ist vom Kartell-Skandal gezeichnet. Noch als Gemeindepräsident von Scuol wurde er über die Bauabsprachen informiert, unternahm aber wenig. Seine Abwahl ist zwar wenig wahrscheinlich, gänzlich ausgeschlossen wird sie aber nicht. Parolini gilt als angeschlagen.

Schon lange nicht mehr aktuell: Wahlplakat mit den BDP-Kandidaten Parolini (muss laut Umfrage um Wiederwahl kämpfen) und Andreas Felix (ist wegen Baukartell-Skandal als Kandiat zurückgetreten).
Foto: Keystone

Die Misere der BDP ist die grosse Chance der CVP, einen zweiten Sitz zu erobern. Der Neukandidierende Marcus Caduff fiel im Wahlkampf bisher zwar wenig auf, befindet sich aber ausserhalb des Dunstkreises der Kartell-Affäre und kann auf eine parteitreue Wählerschaft aus dem Bündner Oberland zählen.

Auch CVP-Baudirektor Mario Cavigelli steht einigermassen gut da. Sein Departement dürfte zwar zu den Kartell-Geschädigten zählen, die illegalen Vergabe- und Preisabsprachen ereigneten sich aber grossmehrheitlich vor seiner Amtszeit.

In die Regierung drängt nun im dritten Anlauf die 2008 neugegründete SVP Graubünden. Kandidat Walter Schlegel ist allerdings als Kommandant der Kantonspolizei wegen eines Einsatzes gegen Kartell-Whistelblower Adam Quadroni im Rampenlicht - obwohl unklar ist, ob der Einsatz überhaupt im Zusammenhang steht mit der Kartell-Affäre.

In gleicher Sache Fragen stellen lassen muss sich auch Polizeidirektor Christian Rathgeb (FDP). Seine Wiederwahl gilt dennoch als ungefährdet.

Bardill, der wilde Kandidat hat Chancen

Wegen des Baukartells überhaupt als «wilder Kandidat» ins Rennen eingestiegen ist der parteilose Bündner Liedermacher Linard Bardill. Die politische und moralische Krise in Graubünden hätte ihn erschüttert und zum Engagement getrieben, sagte er einen Monat vor der Wahl bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur.

Wie eine kürzlich publizierte Wahlumfrage von Somedia und Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) zur Überraschung vieler zeigte, ist Bardill nicht ohne Chancen und besser unterwegs als SVP-Mann Schlegel. Offenbar ist der Barde für Protestwähler aus fast dem ganzen Parteienspektrum eine Alternative zum bürgerlichen Establishment, welches im Kartellskandal bis zu dessen restloser Aufklärung unter pauschalem Generalverdacht steht.

Parlamentswahlen: BDP muss 27 Grossräte ersetzen

Trotz Generalverdacht praktisch nicht tangiert von der Kartellaffäre sind die Parlamentswahlen, die ebenfalls am 10. Juni stattfinden. Der Wahlkampf gibt wenig zu reden, obwohl die Ausgangslage durchaus spannend ist.

Um die Wurst geht es auch hier für die BDP. Die in Graubünden staatstragende Partei muss im 120-köpfigen grossen Rat gleich fast die Hälfte ihrer 27 Grossräte ersetzten.

Auch für SP und SVP steht einiges auf dem Spiel. Beide Parteien konnten vor vier Jahren stark zulegen. Nun müssen sie je ein Drittel ihres Personals erneuern, darunter rechts wie links viele politische Schwergewichte.

In Glarus ist BDP gefestigt

Entspannt entgegenblicken kann die BDP den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen im Glarnerland, welches wie Graubünden zu den «Urkantonen» der jungen Partei gehört. Die Position der BDP im 60-köpfigen Landrat ist gefestigt. Nicht von Schaden ist, dass BDP Schweiz-Präsident Martin Landolt ein Glarner ist. Die Partei hält neun Sitze und bildet die drittgrösste Fraktion.

Zwar wollen die meisten der sieben im Parlament vertretenen Parteien Sitze dazugewinnen, grössere Verschiebungen sind aber nicht zu erwarten. Bis auf den in die Regierung gewählten Kaspar Becker (BDP) treten alle Bisherigen erneut an. Sie müssen sich zwar der Konkurrenz von sage und schreibe 340 neuen Kandidaten stellen, doch handelt es sich bei diesen vor allem um «Listenfüller». (SDA)

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