Das Coronavirus breitet sich in der Schweiz weiter aus
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Trotz strenger Massnahmen:Das Coronavirus breitet sich weiter aus

Unternehmer und Politiker im Misox wollen die Tessiner Lösung
Auch Südbünden fordert den Shutdown

Keiner will mehr auf der Baustelle arbeiten. Die Arbeiter bleiben zu Hause. Die Materiallieferungen stehen aus. In den Südbündner Tälern wie im Misox wollen Unternehmer und Politiker den Shutdown.
Publiziert: 22.03.2020 um 19:55 Uhr
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Aktualisiert: 22.03.2020 um 22:27 Uhr
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Der Bündner FDP-Grossrat und Gemeindepräsident Samuele Censi verlangt, dass die Behörden Baustellen und Betriebe schliessen sollen.
Foto: zVg
Pascal Tischhauser

Südbündner Unternehmer und Politiker fordern den Shutdown in Graubünden. Auf der Alpensüdseite verstehen die Einwohner nicht, weshalb auf Baustellen und in Betrieben weitergearbeitet werden soll, während bei den direkten Nachbarn im Tessin die Arbeit ruht.

Sechs Grossratsmitglieder aus dem Misox haben sich am Samstagabend per Brief an die Bündner Regierung gewandt. Sie können nicht fassen, dass Graubünden nicht wie das Tessin handelt und nur noch für die Grundversorgung notwendige Firmen weiterarbeiten lässt.

«Wir werden in der Krise vergessen»

Die Grossräte sehen die Haltung der Bündner Regierung als einen Beleg dafür, dass der Ernst der Corona-Krise in Chur noch nicht angekommen und die Wahrnehmung ennet der Alpen nach wie vor eine andere ist als bei der Bevölkerung in Südbünden.

FDP-Grossrat Samuele Censi (37) erklärt gegenüber BLICK: «Wir in Südbünden werden in der jetzigen Krise vergessen.» Als Präsident der Gemeinde Grono mit 1500 Einwohnern klingle bei ihm ständig das Telefon. «Es sind fast immer Leute, die nicht verstehen, weshalb sie am Montag noch zur Arbeit müssen, während unsere Tessiner Nachbarn richtigerweise zu Hause bleiben.»

Es könne ja sein, dass die Tessiner Regierung ihren Entscheid zur Schliessung der Betriebe ohne rechtliche Grundlage gefällt habe. «Aber es ist die richtige Entscheidung, um Menschenleben zu retten. Eine solche Courage erhoffe ich mir auch von Chur und Bern.»

«Niemand versteht das im Misox»

Und auch der Unternehmer Andrea Galli (41), der im Misox unter anderem ein Bauunternehmen und ein Ingenieurbüro führt, verlangt die geordnete Schliessung der Betriebe durch die Behörden: «Niemand will im Misox noch, dass weitergearbeitet wird auf den Baustellen.» Die Angestellten hätten Angst. Sie wollten sich und andere nicht anstecken. Viele erscheinen gar nicht mehr zur Arbeit.

«Die Familien in direkter Nachbarschaft zu den Baustellen fürchten sich. Das notwendige Material wird nicht mehr auf die Baustellen geliefert.» Galli sieht nicht ein, dass die Kantonsregierung in dieser Situation nicht handelt. «Ich fordere, dass der Kanton Graubünden jetzt die Betriebe schliesst wie im Tessin. Und teilt uns den Zeitraum mit, damit wir uns organisieren können. Dann haben die Unternehmer klare Vorgaben.»

«Die Kantonsregierung muss jetzt Verantwortung übernehmen. Sie darf sich nicht hinter Berner Richtlinien und Paragrafen verstecken. Diese Verunsicherung tötet!» Man müsse alles tun, um die Spitäler im Tessin zu entlasten, so Galli.

Und der Unternehmer appelliert: «Die gesamte Schweiz sollte nicht den gleichen Fehler machen wie wir im Süden: Wir haben zu lange verwundert zugesehen, wie schwer sich Norditalien tut. Jetzt haben wir dieselben Probleme im Tessin. Man muss jetzt handeln, auch wenn es schmerzhaft ist!»

Bündner Regierung bleibt hart

Die Bündner Regierung informierte am Sonntag, sie habe sich mit der speziellen Situation befasst, in der sich die Talschaften Südbündens befänden. Doch sie bestätigte dabei ihre alte Haltung: Die Forderung nach einer Schliessung aller Baustellen im Misox lehne sie ab. Die aktuell geltenden Vorschriften des Bundes seien diesbezüglich klar: «Sie verbieten dem Kanton eine solche Massnahme.» Allerdings hat der Bund auch die Arbeit verboten, wenn dabei der notwendige Abstand nicht eingehalten werden kann. Und dies sei auf den Baustellen der Fall, so Galli.

Der Bündner SP-Gesundheitsminister Peter Peyer (54) und CVP-Volkswirtschaftsdirektor Marcus Caduff (46) werden in den nächsten Tagen die Südtäler Graubündens besuchen. Ein Spaziergang wird das nicht.

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