Der Bündner Baukartell-Skandal zieht immer weitere Kreise. Die Preisabsprachen und Auftragszuteilungen zwischen den Baugeschäften im Engadin liefen jahrelang. Keiner im Bergkanton schaute hin. Man kennt sich.
Dabei hatte Bauunternehmer Adam Quadroni (48) das Bündner Tiefbauamt schon 2009 auf die Machenschaften aufmerksam gemacht, wie Stefan Engler (57, CVP) gegenüber dem Online-Magazin «Republik» bestätigt hatte. Gleichzeitig wälzte der damalige Baudirektor die Verantwortung auf seine Mitarbeiter ab. Der «Republik» erklärte er: «Ich habe geführt, indem ich darauf vertraut habe, dass meine Chefbeamten mich informiert hätten, wenn politischer Handlungsbedarf bestanden hätte.»
«Keine Kenntnis» gehabt
Zu BLICK sagt er erst: «Nein, ich hatte keine Kenntnis von den Anschuldigungen und somit auch keine Veranlassung, Schritte in die Wege zu leiten. Mir lagen zu keinem Zeitpunkt diesbezügliche Unterlagen und Auskünfte vor.»
Auf Nachfrage windet sich Engler. «Ich glaube, mich zu erinnern», sagt er, dass es beim Gespräch um einen Streitfall in einem Ausschreibungsverfahren gegangen sei. «Nicht aber, dass der Verdacht auf Absprachen Thema war.» Das überzeugt nicht restlos, hatte Quadroni doch just wegen der Absprachen im Tiefbauamt vorgesprochen und Unterlagen vorgezeigt.
Brisant ist nicht nur, warum im Baudepartement niemand handelte. Brisant ist auch Englers heutige Rolle: Er ist gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der Rhätischen Bahn (RhB), die grosse Bauaufträge im Kanton vergibt und potenziell zu den Meistgeprellten gehört. Und noch viel heikler: Gleichzeitig präsidiert Engler das Baugeschäft Lazzarini AG – eine der sieben Baufirmen, die sich durch Preisabsprachen zu hohe Gewinne erschlichen, weshalb sie die Wettbewerbskommission (Weko) zu Bussen von insgesamt 7,5 Millionen Franken verurteilt hat.
«Kein Hinweis darauf, dass die RhB betroffen ist»
Engler erklärt, es gebe seines Wissens keinen Hinweis darauf, dass Projekte der RhB von Preisabsprachen betroffen waren. Und der Verwaltungsrat der Lazzarini AG habe bis zur Eröffnung des Verfahrens im Jahr 2012 keine Kenntnis von Wettbewerbsverfehlungen von früher gehabt.
«Es besteht starker Erklärungsbedarf von Seiten Englers», sagt die Bündner SP-Nationalrätin Silva Semadeni (66) dazu. Auch Jan Koch, SVP-Fraktionschef im Bündner Grossen Rat, will Klarheit von ihm. Und er meint, es sei schwer vorstellbar, «dass er jetzt noch Bundesrat werden kann».
In dieselbe Richtung äussert sich der frühere SP-Graubünden-Chef Jon Pult: «Dass Herr Engler bei einer der Hauptgeschädigten, nämlich bei der RhB, Verwaltungsratspräsident ist und gleichzeitig mit dem Baugeschäft Lazzarini eine der Täterfirmen präsidiert, ist schon sehr speziell.» Pult fordert Transparenz.
Pult und Koch fordern eine PUK
Graubünden werde alle submissions-, zivil- und strafrechtlichen Schritte prüfen und gegen fehlbare Firmen rechtlich vorgehen, schreibt dazu Regierungspräsident Mario Cavigelli BLICK. Pult und Koch begrüssen das, glauben aber, dass es mehr brauche für eine lückenlose Aufklärung. Sie sprechen schon von einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Koch: «Der Baumafia-Skandal hat derart grosse Dimensionen, dass es eine PUK braucht, um ihn aufzuarbeiten.»