Brüssel macht Druck
Pharma pocht auf Rahmenabkommen

Die Pharmabranche warnt: Eine Brexit-Lösung für die Schweiz sei schlechter als der Status quo. Derweil bereitet sich das Gesundheitsdepartement auf drohende Medizin-Engpässe vor.
Publiziert: 28.03.2021 um 09:51 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2021 um 08:48 Uhr
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Europafahnen vor dem Gebäude der Europäischen Kommission.
Foto: imago images/Jochen Tack
Simon Marti und Reza Rafi

Über die Festtage brachte der britische Premier Boris Johnson den quälend lange währenden Brexit persönlich zu Ende. Prompt kam in Bern Hoffnung auf. Die Kritiker des Rahmenabkommens verwiesen auf den Handelsvertrag zwischen Brüssel und London und betonten vor allem, was darin fehlte: die Richter des Europäischen Gerichtshofs, deren Rolle im Streitmechanismus des Rahmenvertrags manchen als Anfang vom Ende eidgenössischer Souveränität gilt.

Wenn also die Briten künftig frei mit dem Kontinent Handel treiben, ohne dass sich «fremde Richter» einmischen, müsste das doch auch für die Schweiz ein gangbarer Weg sein.

Pharma möchte keine britische Lösung

Gewichtige Branchen aber melden gegen diese Sichtweise Vorbehalte an. Interpharma, der Verband der forschenden Pharmaindustrie, hat die Beziehungen der beiden Staaten mit der EU analysiert – und warnt vor einer britischen Lösung. «Aus Sicht der forschenden pharmazeutischen Industrie muss man sagen: Die britische Lösung ist klar schlechter als unser Status quo», sagt Interpharma-Geschäftsführer René Buholzer.

Denn ein Freihandelsabkommen beseitigt zwar die Zölle bei der Ein- und Ausfuhr von Gütern. Andere, für die Pharmabranche gewichtige Barrieren aber wurden erst mit den bilateralen Verträgen ausgeräumt. Die EU anerkennt seither die in der Schweiz zugelassenen Produkte und umgekehrt. Darauf muss die britische Konkurrenz künftig verzichten und rechnet denn auch mit Einbussen in Milliardenhöhe.

Ein Szenario, das auch der Schweiz droht, wenn nach einem Aus des Rahmenvertrags die Bilateralen nicht mehr stetig aktualisiert werden. «Auf unsere Branche in der Schweiz angewendet, wäre die Erosion der Bilateralen mit hohen Mehrkosten und einer Verschlechterung der Standortqualität verbunden», so Buholzer.

Droht ein Engpass?

Er mag die Hoffnung auf eine Einigung mit Brüssel nicht aufgeben: «Der Bundesrat muss die offenen Fragen beim Rahmenabkommen mit der Europäischen Union rasch klären. Nur so können die bilateralen Verträge fit für die Zukunft gemacht und der Wirtschaftsstandort Schweiz gestärkt werden.»

Ein Anschauungsbeispiel bietet die Medtech-Branche: Am 26. Mai droht das Marktzugangsabkommen (MRA) mit der EU wegzufallen. Das betrifft vor allem Schweizer Exporte – aber könnte auch die Importe von europäischen Medizinalgütern erschweren.

Im Departement von Gesundheitsminister Alain Berset ist man darum zur Einsicht gelangt: Jetzt muss man handeln. «Der Bundesrat hat die zuständigen Departemente beauftragt, Massnahmen zur Milderung der negativen Auswirkungen aus einer verzögerten Aktualisierung des MRA zu erarbeiten», bestätigt ein Sprecher der Heilmittelbehörde Swissmedic gegenüber SonntagsBlick.

Konkret gehe es um «Massnahmen zur Reduktion von Versorgungsrisiken». Der Lead liege beim Bundesamt für Gesundheit (BAG).

Ob die Einsicht bei der Landesregierung rechtzeitig gekommen ist?

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