Brüssel hat Bern über den Tisch gezogen
Zieht der Bundesrat die Ostmilliarde zurück?

Kohäsionsbeitrag gegen Börsen-Anerkennung – so sah es der Kuhhandel zwischen Bern und Brüssel vor. Doch Brüssel erfüllt seinen Teil der Abmachung nicht. Was die Frage aufwirft, ob der Bundesrat sein Versprechen ebenfalls zurückzieht. Er kann es immerhin.
Publiziert: 16.12.2017 um 15:17 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 20:50 Uhr
Gute Mine zum bösen Spiel: Bundespräsidentin Doris Leuthard begrüsste Jean-Claude Juncker im Bernerhof.
Foto: KARL-HEINZ HUG
Sermîn Faki

Küsschen hier, Lächeln da. Als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (62) am 23. November in Bern weilte, gaben sich er und Bundespräsidentin Doris Leuthard (54) alle Mühe, es wie ein Treffen guter Freunde aussehen zu lassen. 

In verschiedenen Dossiers gebe es eine «positive Dynamik», betonte Leuthard einmal mehr. Und überreichte Juncker ein frühes Weihnachtsgeschenk: Das Versprechen, dass die Schweiz auch in den nächsten zehn Jahren 1,3 Milliarden Franken an die den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten zahlen werde.

Juncker zog sein Versprechen zurück

Im Gegenzug für die Ostmilliarde versprach Juncker, dass die EU die Schweizer Börsen in einer sogenannten Äquivalenzerklärung weiter als gleichwertigen Handelsplatz anerkennt. So war es vorher abgemacht worden, wie Radio SRF am Freitag berichtete.

Doch in Bern wollte Juncker von dieser Zusicherung nichts mehr wissen. Was einige Hektik auslöste: Eine bereits verteilte Medienmitteilung wurde wenige Minuten vor dem gemeinsamen Auftritt wieder eingesammelt. Das Wort «Zusicherung» wurde entfernt. In der korrigierten Version steht nur noch, die EU-Kommission werde das Börsen-Thema Anfang Dezember «behandeln».

Brüssel lässt die Schweiz weiter zappeln

Bundesratssprecher Andre Simonazzi (rechts) im Gespräch mit Aussenminister Ignazio Cassis.
Foto: Keystone

Doch selbst das ist nicht passiert. Am 7. Dezember, als die Äquivalenzerklärung erfolgen sollte, passierte – nichts. Dabei hatte Juncker den Entscheid für diesen Tag gegenüber Leuthard ausdrücklich versprochen, wie Bundesratssprecher André Simonazzi (49) gegenüber Radio SRF bestätige: «An diesem Gespräch wurde dieses präzise Datum seitens der EU genannt.»

Am letzten Mittwoch dann der nächste Tiefschlag: Brüssel erkannte die Börsen von Hongkong, Australien und der USA als gleichwertig an. Von der Schweiz war erneut keine Rede.

Die Zeit für den Finanzplatz wird knapp

Am kommenden Mittwoch, dem 20. Dezember, findet nun die letzte Sitzung der EU-Kommission in diesem Jahr statt. Erklärt die EU-Kommission die Schweizer Börsen bis Ende Jahr nicht als gleichwertig mit derjenigen der EU, dürfen ab 3. Januar an der Schweizer Börse keine Aktien mehr gehandelt werden, die sowohl in der Schweiz als auch in der EU kotiert sind.

Was in Bern für Nervenflattern sorgt. Und die Frage aufwirft, ob der Bundesrat sein 1,3 Milliarden teures Weihnachtsgeschenk ebenfalls wieder zurücknimmt. Das legen zumindest Äusserungen von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (65) in der letzten «Samstagsrundschau» nah.

Der Bundesrat kann das Geld wieder zurückziehen

Ohne Börsengleichwertigkeit keine Ostmilliarde: Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.
Foto: Keystone

Wenn die Gleichwertigkeit am kommenden Mittwoch nicht erklärt werde, gebe es kein Geld. Die Erklärung sei eine «conditio sine qua non», so Schneider-Ammann. Und auch Simonazzi sagt, dass der Bundesrat in diesem Fall wieder beraten würde. «Der Prozess zur Kohäsionsmilliarde würde damit sicher nicht vereinfacht.»

Die Ostmilliarde zurückzuziehen, ist in jedem Fall möglich, wie das federführende  Aussendepartement auf Anfrage von BLICK bestätigt: «Solange das Dossier nicht als Botschaft ans Parlament überwiesen wurde, kann der Bundesrat jederzeit eine ihm angemessen erscheinende Entscheidung treffen.»

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