Die Nachricht aus Brüssel schlug Anfang Jahr ein wie ein Katapultgeschoss: Die Europäische Union will als Antwort auf die Terrorgefahr das Waffenrecht verschärfen. Als Schengen-Mitglied muss die Schweiz nachziehen.
Seither herrscht Aufregung im Land. Reflexartig hat sich der Widerstand von rechts geregt. Von bürgerlichen Politikern, von Armeekreisen, von den Schützen, von den Jägern. Für sie schien Blochers Albtraum wahr geworden: Fremde Vögte entwaffnen per Dekret die freien Eidgenossen.
Simonetta Sommaruga im Visier der Waffenfreunde
Die Schützen wollen die Gesetzesanpassung mit dem Referendum bekämpfen. SVP-Nationalrat Werner Salzmann verlangt per Vorstoss einen Stopp. Neben SVP-Politikern haben auch BDP-Chef Martin Landolt und der freisinnige Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler Salzmanns Motion unterzeichnet. Letzte Woche hat sich sogar der Kanton Schwyz eingeschaltet: Der Regierungsrat schliesst sich der Opposition an.
Im Visier steht SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Als Justizministerin ist sie für die Umsetzung zuständig. Doch die Magistratin verbreitet unbeirrt Zuversicht. Seit der letzten Sitzung der sicherheitspolitischen Kommission reden Ständeräte plötzlich vom grossen «Interpretationsspielraum».
Ausnahmeklausel für Sportschützen
Der Optimismus hat einen Grund: Sommarugas Diplomaten haben im April mit den Schengen-Staaten eine Schweiz-Klausel ausgehandelt. Diese ermöglicht es trotz des angestrebten europaweiten Verbots, dass Schweizer Armeeangehörige nach dem Ende ihrer Dienstpflicht – mit einer Genehmigung als Sportschützen – ihr Sturmgewehr behalten können.
Die entsprechende Passage steht auf Seite 36 der aufdatierten EU-Gesetzgebungsakte. Die Schweiz wird nicht namentlich genannt, sondern umschrieben: In umständlichem Beamtenjargon ist die Rede von «Mitgliedstaaten, in denen allgemeine Wehrpflicht herrscht und in denen seit über 50 Jahren ein System der Weitergabe militärischer Feuerwaffen an Personen besteht».
Jetzt kommen Sommarugas Gegner unter Druck
Mit ihrem Schachzug setzt Sommaruga ihre Gegner unter Druck: Denn sollte die Schweiz die Änderungen nicht unterzeichnen – im offiziellen Sprachgebrauch redet man hier von «notifizieren» –, würde die Schengen-Mitgliedschaft nach einem halben Jahr automatisch erlöschen.
Dass Schengen essenziell für die Schweiz ist, betont die Landesregierung unablässig. So warnte der Bundesrat 2015 in der Antwort auf eine Interpellation von SP-Nationalrätin Evi Allemann vor «erheblichen sicherheitsrelevanten Lücken», die bei einem Schengen-Aus entstehen würden. Ohne das Schengener Informationssystem (SIS) würden Interpol-Anfragen «nur noch verzögert oder überhaupt nicht mehr bearbeitet».
Gefährdung der Sicherheit des Landes?
Es ist deshalb absehbar, dass sich die Gegner der neuen Bestimmung in der kommenden Auseinandersetzung vorwerfen lassen müssen, die Sicherheit des Landes zu gefährden.
Die Landesregierung hat die Anpassung bis dato nicht abgenickt. Bei Sommarugas Justizdepartement heisst es auf Anfrage, dass «Bundesrat, Parlament und gegebenenfalls die Stimmberechtigten» entscheiden würden; zunächst aber werde der Bundesrat bestimmen, «ob er den Inhalt der geänderten EU-Waffenrichtlinie akzeptiert und ins schweizerische Recht umsetzen wird». Dieser Beschluss sei noch ausstehend.