Im Berner Stadtrat geht es zuweilen heiss zu und her. Ob die folgende Episode jedoch ein neuer Höhe- respektive Tiefpunkt ist, wird sich wohl erst noch zeigen.
Wie könnte es auch anders sein: Wieder einmal war die Berner Reitschule Thema. Die FDP-Fraktion hat eine Motion eingereicht, nach der die Brückenbögen beim Parkplatz bei der Reitschule durch Geschäfte und Lokale aufgewertet werden sollen. Damit will die Fraktion dem Drogenhandel in diesem Gebiet einen Riegel schieben.
Von hässlichen Frauen und «Negern» ...
Als dann Nationalrat Erich Hess (36) für die SVP-Fraktion das Wort ergreift, tut er das auf ziemlich kreative Weise, wie das Protokoll vom 29. Juni zeigt: «Es ist ungefähr dasselbe, wie wenn man eine hässliche Frau mit Make-up aufzuhübschen versucht.» Damit will er sagen, dass die Änderungen nur kosmetischer Natur seien und das Problem nicht bei der Wurzel – seiner Meinung nach natürlich die Reitschule – angepackt werde.
Einen Satz später holt Hess nochmals Anlauf und springt kopfüber ins Schwimmerbecken des Rassismus: «Tag für Tag sieht man dort hauptsächlich Neger am Dealen.»
Das Onlineportal «Vice» hat bei seinen Nachrednern nachgefragt, warum sie im Berner Stadtrat Hess unbehelligt solche Dinge sagen lassen. Die Antworten waren eher ausweichend. Sie fingen bei der schlechten Akustik an wegen der man die Aussage verpasste, und gingen dann über Resignation bis hin zum Wunsch, Hess für solche Aussagen keine Plattform zu geben.
... über rassistisch und sexistisch ...
Stadtratspräsident Christoph Zimmerli, in dessen Aufgabenbereich die Einhaltung des Diskussions-Niveaus gehört und der Hess dementsprechend hätte ermahnen müssen, sagte gegenüber «Vice», er teile die Einschätzung, «dass solcherlei Aussagen rassistisch und sexistisch sind». Ihn persönlich widerten solche Aussagen an und er verurteile sie aufs Schärfste.
Über das weitere Vorgehen in diesem konkreten Fall werde das Präsidium entscheiden. Hess sei aber absolut kein Einzelfall, sagt er. Es sei bekannt, dass sich in den Parlamenten der Schweiz einzelne Mitglieder in problematischer Weise äusserten und provozierten: «Trotzdem werden solche Personen immer wieder vom Volk gewählt», sagte Zimmerli gegenüber «Vice».
... bis zur politischen Korrektheit
Hess nimmt die Sache gelassen, wie er gegenüber BLICK erklärt: «Meine Äusserungen entsprechen vollständig den Tatsachen.» «Neger» sei ausserdem nur eine Ableitung vom spanischen «Negro». Bis in die 1990er habe man es in der Schweiz so gebraucht. «Nur die Linken haben das Wort nicht gern, und von denen lasse ich mir sicher nicht den Wortschatz aufdiktieren.»
Die Linke würde ihm nun natürlich fehlende «political correctness» vorwerfen, sei aber eigentlich keinen Deut besser: «Dass sie die gewalttätigen Kundgebungen der Reithalle nach wie vor verteidigt, ist politisch viel inkorrekter!» Und zum Frauenbeispiel, da habe er halt leider Gottes keinen Mann nehmen können, da sich diese in der Regel nicht schminken würden.
Tatsächlich wollen sowohl Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen, wie auch Tamara Funiciello, Präsidentin der Juso, Anzeige gegen Hess wegen dessen Wortwahl erstatten, berichtet «20 Minuten». Ob die beiden Jungpolitiker damit aber erfolgreich sein werden, ist fraglich. Als Parlamentarier geniesst Hess politische Immunität, welche zuerst aufgehoben werden müsste. (wif)