Der Entscheid des Parlaments war deutlich, der Auftrag an den Bundesrat klar: Die Schweiz soll sich gegen die Uno und ihre umstrittene Terrorliste auflehnen. Wer darauf landet, wird von den Uno-Mitgliedsstaaten mit Einreisesperren belegt, dessen Konten eingefroren.
Die Schweiz soll da nun aber nicht mehr in jedem Fall mitmachen – aus Protest, weil das Sanktionsregime rechtsstaatlich höchst bedenklich ist. So entscheidet allein der Sicherheitsrat der Uno, also ein politisches Organ, wer auf der Liste landet. Es ist nicht vorgesehen, dass die Betroffenen sich juristisch dagegen wehren können.
Frist zum sechsten Mal verlängert
Über zehn Jahre ist es her, seit National- und Ständerat den brisanten Vorstoss des ehemaligen Tessiner FDP-Ständerats Dick Marty (75) angenommen haben. Doch noch heute beschäftigt er das Parlament.
Gestern hat der Ständerat die Frist für die Umsetzung verlängert – bereits zum sechsten Mal. Das ist selbst für den behäbigen Schweizer Politbetrieb aussergewöhnlich. Kommt hinzu, dass die Forderungen Martys eigentlich längst überholt sind. Trotzdem kann sich das Parlament nicht dazu durchringen, das Geschäft im Archiv zu versorgen.
Schweiz wagt nicht, Vorstoss abzuschreiben
Der Grund: Das Parlament traut sich nicht. Mit dem Ja zum Vorstoss hat es 2009 ein starkes Zeichen gesetzt. Ein Zeichen, das weltweit für Aufsehen sorgte: Die Schweiz, Hüterin der Menschenrechte, stellt sich der grössten zwischenstaatlichen Organisation entgegen und droht, die Uno-Charta bewusst zu brechen. Der Entscheid diente als Druckmittel gegenüber der Uno, das Sanktionsregime endlich zu überarbeiten.
Die Rechnung ging zumindest teilweise auf. Inzwischen hat sich – auch auf Insistieren der Schweiz – einiges getan. Auch wenn der Bundesrat dem Auftrag des Parlaments, die Uno-Sanktionen aus Protest zu boykottieren, nie nachgekommen ist.
Betroffene können hierzulande klagen
So gibt es beispielsweise eine Ombudsstelle, bei der sich Personen melden können, die aus ihrer Sicht zu Unrecht auf der Terrorliste gelandet sind. Allerdings hat der Ombudsmann, ein Schweizer notabene, keine formelle Entscheidungsgewalt, sondern kann dem Uno-Sicherheitsrat nur Empfehlungen machen.
Ausserdem hat das Bundesgericht erst vor wenigen Jahren seine Praxis geändert und entschieden, dass Betroffene, die aus ihrer Sicht zu Unrecht auf der Terrorliste gelandet sind, in der Schweiz gegen den Eintrag klagen können.
Ein Druckmittel
Die Befürchtung der Politiker: Würde die Schweiz den Vorstoss nun in die Schublade stecken, könnte das ein falsches Signal aussenden: Dass aus Sicht der Schweiz nun alles in Ordnung ist. Doch das ist es noch nicht. Man halte deshalb an der Motion fest, sagt Damian Müller (35), Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats. «Die Schweiz will sich weiter für die Effizienz und die Legitimität von Uno-Sanktionen einsetzen», sagt er. Unter anderem dafür, dass der Rechtsschutz auch bei anderen schwarzen Listen der Uno gestärkt wird und es auch für diese eine Ombudsperson gibt.
Man prüfe aber, den Vorstoss anzupassen beziehungsweise zu aktualisieren, kündigt Müller an. Martys Motion dürfte im Parlament also weiter zu reden geben – selbst wenn dieser selbst seit über neun Jahren nicht mehr im Amt ist.