Brexit – und jetzt?
5 Folgen für die Schweiz

Für die Schweizer Aussenpolitik wird der EU-Austritt der Briten ebenfalls Folgen haben: So hat der bilaterale Weg kaum noch Zukunft und die Schweiz muss schon bald entscheiden, ob sie einen allfälligen Beitritt der Briten zur Freihandelsorganisation Efta zustimmt.
Publiziert: 27.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:46 Uhr
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Die Folgen des Brexit in Grossbritannien sind noch kaum absehbar: Pro-EU-Demonstration in London am Tag nach Ja der britischen Bevölkerung zum Austritt aus der EU.
Foto: imago stock&people
Matthias Halbeis

Die Briten sagen der EU Goodbye. Die Scheidung wird zäh, Experten rechnen mit jahrelangem Streit. Und: London braucht neue Handelsbeziehungen mit allen EU-Staaten. Das hat negative Folgen für die Schweiz, die Hoffnung auf Brüsseler Zugeständnisse bei der Zuwanderung hegte.

EU hat keine Zeit für uns

Der geordnete Austritt der Briten wird Kräfte in den Verwaltungsapparaten in London und Brüssel blockieren. EU-Experte Thomas Schäubli von der Beratungsfirma Wellershoff und Partners sagt dazu: «Die EU hat jetzt weder Ressourcen noch Interesse an Verhandlungen mit der Schweiz.» Vielmehr sei zu erwarten, dass sich die EU in den nächsten Jahren auch sonst stark mit sich selbst beschäftigen wird. Und: «Die EU wird jetzt, wo sie von internen Spannungen belastet wird, der Schweiz kaum noch Sonderrechte gewähren.» 

Letzter Ausweg Abstimmung

Lässt die EU uns warten, müssen wir selbst entscheiden: Personenfreizügigkeit – ja oder nein? Schäubli: «Sollte sich eine EU-konforme Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) als unmöglich erweisen, bleiben zwei Optionen»: Bruch mit der EU oder den MEI-Artikel streichen. Die entsprechende Volksinitiative ist schon eingereicht. Auch denkbar: ein Gegenvorschlag, der die Personenfreizügigkeit als Ausnahme verankert. Damit würden Kontingente und Inländervorrang, wie es die MEI fordert, nur für Drittstaaten gelten.

EU-Experte Thomas Schäubli ist Political Risk Analyst bei Wellers­hoff & Partners.
Foto: Pressebild

Der bilaterale Weg ist tot

Nach dem Volks-Nein zum EWR-Vertrag 1992 sollte der bilaterale Weg die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU regeln. Nur will die EU keine zusätzlichen Abkommen aushandeln, sofern die Schweiz nicht zu einem Rahmenabkommen bereit ist. Dieses würde bestimmen, ob EU- oder Schweizer Recht vorgeht. Schäubli: «Selbst wenn die MEI EU-konform umgesetzt werden kann oder verworfen wird, droht der bilaterale Weg zu scheitern. Denn für eine automatische Rechtsübernahme sind weit und breit keine Mehrheiten in Sicht.»

Bern prüft Allianzen

Viele Experten und Politiker rechnen damit, dass London jetzt wieder in die Freihandelsorganisation Efta aufgenommen werden will. Doch wäre das möglich? Ja, sagt Efta-Spezialist Christian Frommelt, der am Liechtenstein-Institut forscht. Bedingung wäre einzig, dass alle Mitgliedstaaten (Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz) zustimmen. Wir hätten es also in der Hand, ob das Königreich aufgenommen würde. Für Schäubli ist klar: «Die Schweiz muss schnell entscheiden, was sie von einem Efta-Beitritt Londons hält.»

Christian Frommelt forscht am Liechtenstein-Institut zu EU und Efta
Foto: zVg

Fokus auf Handelsdeals

Viele erhoffen sich Chancen aus dem Brexit, wie etwa Hans-Peter Portmann (FDP, ZH), der laut SonntagsBlick an einer Allianz Schweiz-Grossbritannien zimmert. Etwa, um gemeinsame Deals mit der EU oder den USA auszuhandeln. Das schätzt auch Schäubli so ein: «Wenn es der Schweiz nicht gelingt, den bilateralen Weg zu retten, muss sie sich um eine engere Anbindung an andere Weltregionen bemühen. Dazu können Freihandelsabkommen ein gutes Instrument sein.» Nachteil: Der Aufwand für solche Deals ist hoch.

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