Brexit und die Schweiz
Die Union der UnbEUgsamen

Politik und Wirtschaft fordern: Briten und Schweizer sollen zusammenspannen.
Publiziert: 26.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:20 Uhr
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Historisches Ereignis: Titelseiten von Zeitungen und Magazinen aus Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und den USA.
Simon Marti und Moritz Kaufmann

Seit dem Brexit ist in Bundesbern die Sorge gross, das Verhältnis zwischen Schweiz und Europäischer Union könne noch kühler werden. Einer, der das britische «goodbye» vielmehr im Schweizer Interesse nutzen will, ist FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (53).

Der FDP-Aussenpolitiker fordert, dass sich Bern und London annähern. «Vor zwei Wochen war ich in London und habe auf privater Basis britische Abgeordnete getroffen.» Beide Seiten wollen nun unter ihren Parlamentskollegen für eine engere schweizerisch-britische Zusammenarbeit werben.

Portmann verspricht sich viel von einer Annäherung. Es sei denkbar, dass die Briten bald wieder der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) beiträten. Die hatten sie 1973 verlassen – um sich der EU-Vorgängerin anzuschliessen. Heute zählt die Efta neben der Schweiz noch drei Mitglieder: Norwegen, Island und Liechtenstein.

«Ich habe mich mit britischen Abgeordneten getroffen» Hans-Peter Portmann (53)
Foto: Keystone

Ähnlich wie Portmann sieht es der Basler Wirtschaftsprofessor Rolf Weder (55). «Mit England, der Schweiz und weiteren Nicht-EU-Mitgliedern könnte eine Alternative zur EU entstehen», so der Experte für europäische Integration und Aussenwirtschaft, «eine erweiterte Freihandelszone – Efta 2.0.»

«Grossbritannien, die Schweiz und Europa gewinnen» Rolf Weder (55)
Foto: ZVG

Mit Endzeit-Szenarien kann der Ökonom nichts anfangen: «Ich gehe davon aus, dass Grossbritannien, die Schweiz und Europa langfristig gewinnen.» Wenn die EU Konkurrenz bekommt, bringe das neue Dynamik. «Es gäbe einen institutionellen Wettbewerb, der Europa guttäte.»

FDP-Politiker Portmann ist auch überzeugt, dass das Freihandelsabkommen TTIP zwischen USA und EU nicht zustande kommt. Dann könnten die Briten mit der Schweiz und den Amerikanern ein eigenes aushandeln.

Er sieht als Banker auch Chancen für die Finanzindustrie: «Die EU ist ohne institutionelles Rahmenabkommen nicht bereit, mit der Schweiz ein Finanzdienstleistungsabkommen abzuschliessen.» Das behindere die hiesigen Institute massiv. «Doch Brüssel wird nicht darum herumkommen, den britischen Banken Zugang zum Markt zu gewähren.» Zu wichtig sei die Londoner City für die Europäer. «Dann könnte es uns gelingen, gemeinsam ein solches Abkommen mit der EU zu erzielen!»

Ähnlich zuversichtlich betrachtet Portmann die Bilateralen. Zwar glaubt er im Gegensatz zum Bundesrat – auch zu FDP-Aussenminister Didier Burkhalter (56) – nicht an eine einvernehmliche Lösung für die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative: «Die Personenfreizügigkeit bleibt für viele EU-Länder unverhandelbar.» Ein Deal sei nach dem Brexit noch unwahrscheinlicher geworden. 

Sollte die Schweiz die Initiative aber einseitig umsetzen, erwartet er nicht, dass die EU die Bilateralen kündigt: «Sie wird protestieren, konkrete Massnahmen wird sie nicht ergreifen.»

Zürich könnte vom Brexit profitieren

Der Finanzplatz Schweiz kann zum Nutzniesser des Brexit werden, glaubt Klaus Biermann (40). Seine Headhunter-Firma Biermann & Neff hat sich auf die Rekrutierung von Talenten im Finanzsektor spezialisiert. London ist laut der jährlichen Studie «Global Financial Centres Index» zwar der grösste Finanzplatz der Welt (Zürich besetzt Rang 6, Genf Rang 15). Nun aber werde es zu einer «massiven Verlagerung von Stellen kommen», wie Biermann prognostiziert. Die Jobs gingen nach Dublin, Frankfurt, Paris, Luxemburg – oder eben in die Schweiz. Für manche sei der Markt­zugang zur EU wichtig, doch «in Zürich könnten sich eher wertvollere Bereiche wie das Asset-Management oder die Vermögensverwaltung weiter ansiedeln». Biermann: «In den letzten Monaten war es in der Schweiz bezüglich Arbeitsplätzen im Finanzsektor ruhig. Jetzt erwarten wir eine positive Tendenz.» Moritz Kaufmann

Der Finanzplatz Schweiz kann zum Nutzniesser des Brexit werden, glaubt Klaus Biermann (40). Seine Headhunter-Firma Biermann & Neff hat sich auf die Rekrutierung von Talenten im Finanzsektor spezialisiert. London ist laut der jährlichen Studie «Global Financial Centres Index» zwar der grösste Finanzplatz der Welt (Zürich besetzt Rang 6, Genf Rang 15). Nun aber werde es zu einer «massiven Verlagerung von Stellen kommen», wie Biermann prognostiziert. Die Jobs gingen nach Dublin, Frankfurt, Paris, Luxemburg – oder eben in die Schweiz. Für manche sei der Markt­zugang zur EU wichtig, doch «in Zürich könnten sich eher wertvollere Bereiche wie das Asset-Management oder die Vermögensverwaltung weiter ansiedeln». Biermann: «In den letzten Monaten war es in der Schweiz bezüglich Arbeitsplätzen im Finanzsektor ruhig. Jetzt erwarten wir eine positive Tendenz.» Moritz Kaufmann

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