Botschafterin Christine Schraner Burgener
Berns Frau in Berlin

Sie ist die erste Botschafterin in der alten Reichshauptstadt. Wohl, weil sie gleich zwei Bundesräte mit ihrer Hartnäckigkeit für höhere Aufgaben überzeugt hat.
Publiziert: 30.06.2017 um 13:40 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2018 um 21:17 Uhr
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Christine Schraner Burgener hat wiederholt bewiesen, dass Hartnäckigkeit zum Ziel führt.
Foto: Keystone
René Lüchinger

Als Didier Burkhalter seinen Rücktritt als Aussenminister bekannt gab, war Christine Schraner Burgener «überrascht wie alle». Sie habe ihm ein SMS geschickt und ihr Bedauern geäussert. Als Burkhalter 2012 ins Amt kam, war sie Botschafterin in Thailand. Der Chef des Departements für auswär­tige Angelegenheiten (EDA) hat ihr Wirken im südost-asiatischen Königreich unterstützt – und ihre Karriere als Diplomatin beflügelt.

Heute amtet Christine Schraner Burgener als Botschafterin in Berlin; Reichstag und Bundeskanzleramt liegen in Sichtweite ihrer Residenz. Die Schweizerische Botschaft an der Otto-von-Bismarck-Allee wurde 1871 erbaut – im gleichen Jahr, als der Fürst zum ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches avancierte. Es ist also ein geschichtsträchtiges Gebäude, auf dessen Dach seit 1920 die Schweizer Flagge weht.

Die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder freilich reichen noch viel weiter zurück – 1867 installierte der damals noch junge schweizerische Bundesstaat eine Gesandtschaft am preussischen Königshof in Berlin. Es war die vierte diplomatische Vertretung Berns im Ausland. Am Freitag nächster Woche wird das 150-jährige Bestehen der Schweizer Vertretung an der Spree festlich begangen.

Von Bangkok nach Berlin

Christine Schraner Burgener, 2015 auf Vorschlag Burkhalters ernannt, ist die erste Frau auf diesem Posten. Möglich, dass der Bundesrat von der Diplomatin beeindruckt war und ihr Transfer von Bangkok nach Berlin deshalb erfolgte. Was die Botschafterin aus ihrem Diplomatenleben zu berichten hat, lag mitunter tatsächlich abseits jeglicher Routine.

So erzählt sie von den Unruhen in Thailand zwischen politisch rivalisierenden «Rothemden» und «Gelbhemden» und vom Einsatz des Militärs, die 2010 über 90 Menschen das Leben kosteten. Wie sie die Botschaft vorübergehend schliessen musste und mit einer dip­lomatischen Rumpfmannschaft bei einer Schweizer Firma vor Ort Unterschlupf fand.

Wie sie auf eigene Initiative, aber mit dem Segen Berns die guten Dienste der Schweiz anbot, um bei der Aufklärung von Todesfällen zu helfen. Wie sie erstmals überhaupt Vertreter von Opfern und Regierung an einen Tisch brachte. «Gewöhnlich bleibt solche Diplomatie unter dem Deckel», sagt die Botschafterin. «Weil die Thais dies publik gemacht haben, kann ich heute – ohne Details zu verraten – darüber reden.» Als grössten diplomatischen Erfolg aber taxiert die Botschafterin die Konvention über das Verbot von Streubomben und -granaten, die 2008 im irischen Dublin ausgearbeitet wurde und heute von mehr als 120 Staaten unterzeichnet oder gar ratifiziert ist. «Die Staatengemeinschaft hatte die Schweiz gebeten, die Verhandlungen zu leiten», sagt die Botschafterin. «Ich hatte als Co-Leiterin freie Hand, bekam aber nur zwei Wochen Zeit.»

Sie machte mit ihrem Gatten Jobsharing

Einen anderen Bundesrat hat Christine Schraner Burgener wohl bereits in jungen Jahren beeindruckt. Wenn sie heute davon erzählt, blitzt der Schalk aus ihren Augenwinkeln. Sie war damals, Anfang der 90er-Jahre, knapp über 30 und wollte Kinder und Karriere verbinden – doch Teilzeitarbeit war im Aussen­departement nicht Usus.

Sie entdeckte, dass lediglich eine Verordnung abgeändert werden müsste. Sie schrieb dem damaligen EDA-Chef Flavio Cotti, er müsse doch als CVP-Bundesrat ein Interesse daran haben, dass sich Familie und Job verbinden liessen.

Der Tessiner Grandseigneur empfing sie im EDA-Chefbüro und bat sie, ihre Sache vorzutragen. «Ich habe ziemlich viel geredet», meint sie und lacht. Am Schluss fragte sie der respekteinflössende Cotti, ob sie sonst noch etwas habe. Sie murmelte so etwas wie: «Wenn ich schon da bin ...», und fischte ein Schriftstück aus ihrer Handtasche – eine Bundesweisung, nach der jedes Departement eine Gleichstellungsbeauftragte zu haben hat. «Das EDA hat keine», meinte die Juristin. «Beides», sagte Cotti darauf zu einem Mitarbeiter, «müssen wir ändern.»

Schraner Burgener ist die Erste, die mit ihrem Diplomatengatten Botschafterin im Jobsharing war. Und bei Cotti hatte sie gezeigt, wie eine gute Diplomatin zum Ziel kommt: mit Hartnäckigkeit in Verhandlungen.

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