«Was für eine verrückte Polit-Woche!»
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BlickPunkt von Christian Dorer:«Was für eine verrückte Polit-Woche!»

Blickpunkt über eine aussergewöhnliche Woche in Bundesbern
Friede, Freude, Eierkuchen?

So friedlich wie bei den Wahlen am Mittwoch ging es im Bundeshaus schon lange nicht mehr zu und her. Hoffentlich bleibt es auch bei der Departementsverteilung harmonisch – und erst recht bei den Verhandlungen mit der EU ...
Publiziert: 07.12.2018 um 21:06 Uhr
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Aktualisiert: 10.12.2018 um 09:18 Uhr
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Christian Dorer

Nie zuvor in der Geschichte der Schweiz wurden zwei Bundesrätinnen an einem Tag gewählt. Doch zum Glück ist so etwas im Jahre 2018 fast schon selbstverständlich!

Wirklich überraschend war deshalb an diesem Mittwochmorgen weniger das Resultat als die Einigkeit der National- und Ständeräte von links bis rechts: Viola Amherd und Karin Keller-Sutter schafften es – überaus deutlich – bereits im ersten Wahlgang.

Und es ging weiter so. Ueli Maurer wurde mit 201 Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt – das beste Resultat seit 30 Jahren! Kurz darauf erhielt die künftige Vizepräsidentin Simonetta Sommaruga 189 Stimmen – nicht weniger sensationell: SVP-Parlamentarier gaben der SP-Frau ihre Stimme, SP-Parlamentarier dem SVP-Mann. Friede, Freude, Eierkuchen unter der Bundeshauskuppel!

Es war wieder ganz so, wie die schweizerische Politik früher funktionierte. Erst in jüngerer Zeit hatte der grosse Gedanke der Konkordanz durch Missgunst, Selbstprofilierung, Störmanöver und Denkzettelpolitik arg gelitten. Dabei gehört es zum Erfolg unserer direkten Demokratie, dass alle für ihre Überzeugungen kämpfen – und sich dann dort finden, wo zwar jeder etwas geben muss, aber mit dem Resultat leben kann. Das hat unser Land erfolgreich gemacht.

Im Geiste dieser wiedergewonnenen Harmonie sagte der frischgebackene Bundespräsident: «Dass wir unterschiedliche Meinungen haben, ist völlig klar und muss so sein. Die Bevölkerung aber erwartet von uns, dass wir uns zusammenraufen. Dafür möchte ich mich einsetzen.» Ueli Maurer weiter in seiner Dankesrede: «Es wäre schön, wenn wir gemeinsam Spass und Freude und Vergnügen ausstrahlen, sodass die Leute das Gefühl haben: Hey, in Bern, das ist ein gutes Team! Die lösen unsere Probleme!» Auch dies ungewöhnliche Worte aus dem Munde des SVP-Magistraten.

Der tosende Applaus für Maurer wollte gar nicht mehr enden. Beim anschliessenden Apéro zeigten sich die Volksvertreter im Bundeshaus ungewöhnlich gelöst: Es herrschte Aufbruchstimmung – sowie die Hoffnung, das Politjahr 2019 möge mit dem neuen Personal im Geiste der gewohnten Konkordanz anheben.

Zu wünschen wäre es. Und dringend nötig! Denn vor allem das Rahmenabkommen mit der EU wird die Schweiz vor eine Zerreissprobe stellen. Gestern präsentierte der Bundesrat die Verhandlungsergebnisse. Zugleich lancierte er eine grosse Konsultation, ob und zu welchem Preis der Vertrag mit Brüssel angenommen werden soll. Damit ist immerhin wertvolle Zeit gewonnen – wohl das Maximum dessen, was derzeit zu holen war.

Das dritte politische Grossereignis dieser Woche wurde kurzfristig verschoben. Gestern hätten die Departemente unter den neuen Bundesräten verteilt werden sollen. Alain Berset, der amtierende Bundespräsident, meldete am Abend kurz und knapp, die Diskussion werde nächste Woche weitergeführt.

Ist die wiedergewonnene Harmonie in Bundesbern bereits verflogen?

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