Vier Monate und vier Tage nach dem Auffliegen des Postauto-Skandals tritt Konzernchefin Susanne Ruoff zurück – am Vorabend, bevor die Post ihren Untersuchungsbericht präsentiert. Die Überraschung ist perfekt. Denn im einzigen Interview nach dem Skandal sagte sie im SonntagsBlick selbstbewusst: «Ich trete nicht zurück. Ich will Klarheit schaffen.»
Jetzt schreibt sie in ihrem Communiqué, dass sie «nach Gesprächen mit dem Verwaltungsrat selbstverständlich die Gesamtverantwortung übernehme».
Geht Susanne Ruoff wirklich freiwillig, um der Post einen Neuanfang zu ermöglichen? Oder hat der Verwaltungsrat sie gedrängt, ihr gar ein Ultimatum gestellt: von sich aus gehen oder gegangen werden?
Kann sein, dass der Untersuchungsbericht darüber Aufschluss geben wird. Kann sein, dass wir es nie erfahren. Erwiesen ist – Stand heute – dass Ruoff zwei Fehler begangen hat:
Sie versuchte, den Skandal kleiner zu machen, als er ist, und verschwieg, dass die Konzernleitung mindestens seit fünf Jahren von dem Problem wusste.
Sie sorgte in dieser langen Zeit nicht dafür, das Problem zu lösen. Im Interview gab sie sogar selbst zu: «Rückblickend wünschte ich mir, damals dieser Angelegenheit grössere Beachtung geschenkt zu haben.»
Dennoch: Häme wäre jetzt fehl am Platz.
Susanne Ruoff hat nicht betrogen, nicht einmal getrickst. Sie hat sich nie persönlich bereichert. Sie hat einen Sumpf übernommen, den es schon lange vor ihrem Amtsantritt gab – und ihn nicht trockengelegt.
Sie ist eine integre Persönlichkeit. In ihren fast sechs Jahren als Konzernchefin hat sie die Post konsequent vorangebracht: Die digitale Transformation ist weit fortgeschritten, der Poststellenumbau geht geräuschloser vonstatten als auch schon. Sie hatte ihren Laden im Griff (Ausnahme: siehe oben).
Nun stürzt sie ausgerechnet über eine Affäre bei Postauto, einem zwar symbolträchtigen, wirtschaftlich aber kaum bedeutenden Tochterbetrieb.
Susanne Ruoffs grösste Tragik ist jedoch: Gerade durch ihren spektakulären Rücktritt wird ihr Name für immer mit dem Postauto-Skandal verbunden bleiben.