BLICK zu Besuch in Geert Wilders' wildem Westen
«Die Schweiz ist ein Vorbild»

Bei den Europawahlen 2014 wurde die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders, die Partei für die Freiheit, stärkste Kraft in Beverwijk. Aber nicht alle hier kämpfen gegen Ausländer. Und manche wenden sich von ihrem blonden Polit-Idol ab.
Publiziert: 12.03.2017 um 17:26 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:43 Uhr
Interview mit Rechts-Populist Geert Wilders
1:45
Wahlen in den Niederlanden:Interview mit Rechts-Populist Geert Wilders
Joël Widmer (Text), Miquel Gonzalez (Foto)
Vor der türkischen Botschaft in Den Haag: Geert Wilders protestiert am vergangenen Mittwoch gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in den Niederlanden.
Foto: Keystone
Klara Talsma (74), Rentnerin mit Hund Bram: «Ich wähle Geert Wilders, weil wir unsere Identität verteidigen müssen. Früher gab ich meine Stimme den Sozialdemokraten. Aber das ist heute die Partei der Armut.»
Foto: Miquel Gonzalez

Die Einkaufsmeile in Beverwijk wird aufgefrischt. Bauarbeiter geben dem Trottoir den letzten Schliff. Rentnerin Klara Talsma (74), die mit ihrem Hund aus dem Einkaufszentrum kommt, ist unzufrieden. Nicht die neue Strasse stört sie, aber die alten Politiker. Früher hat sie die Sozialdemokraten, die Partij van de Arbeid, gewählt. «Doch das ist heute die Partei der Armut», schimpft Talsma. Sie wähle nun Geert Wilders (53). «Wir müssen nun unsere Identität verteidigen.» Die Ausländer hätten sich anzupassen.

Heute gehört das Stahlwerk Indern

Rechtspopulist Wilders hat viele Anhänger hier in der Industriestadt Beverwijk, 25 Kilometer westlich von Amsterdam. Bei den Europawahlen 2014 wurde seine Partij voor de Vrijheid (PVV) hier stärkste Partei. Der grösste Arbeitgeber in der Region sind die Hochöfen. Früher gehörte das Stahlwerk dem Staat. Die neuen Herren heissen Tata Steel und sitzen im indischen Mumbai.

Thomas de Boer (28), Datenanalyst: «Ich will nicht aus der EU. Die Regierung macht ihren Job gut. Noch schwanke ich zwischen den Rechts- und den Linksliberalen.»
Foto: Miquel Gonzalez

Geert Wilders ist selten auf der Strasse bei Leuten wie Frau Talsma. Seit dem Mord an Filmemacher und Islam-Kritiker Theo van Gogh 2004 wird der Politiker streng bewacht. In der Öffentlichkeit ist er stets umringt von Sicherheitsleuten. Wahlkampf macht er vor allem auf Twitter. Die meisten TV-Duelle hingegen sagte Wilders ab. Nicht mal mit seinem älteren Bruder Paul mag er diskutieren. Als dieser ihn auf Twitter wegen einer Abbildung der deutschen Bundeskanzlerin mit blutverschmierten Händen kritisierte, blockiert er ihn postwendend. Ein Geert Wilders duldet keine Kritik. Schon gar nicht in seiner Partei, die er als Alleinherrscher führt. Weitere Mitglieder gibt es keine, nur Gefolgsleute, die bei Bedarf für ihn in Parlamenten Einsitz nehmen. Wilders Lust an der Verunglimpfung kommt nicht von ungefähr. Schon als Jugendlicher sei er eine «entsetzliche Plage» gewesen, sagt Paul Wilders in einem «Spiegel»-Interview. «Egozentrisch und aggressiv. Kompromisse gab und gibt es für ihn nicht.»

In der Vorschule werden hiesige Werte vermittelt

SonntagsBlick trifft Wilders in Amsterdam, am Rande einer Wahlveranstaltung der Zeitung «Telegraaf». Seine Kritik an der Regierung und der EU ist messerscharf, seine Abneigung gegen den Islam absolut (siehe Interview rechts). Lange sah es danach aus, als könnte Wilders PVV die stärkste Partei werden. Doch in den neusten Umfragen liegt sie nur bei rund 15 Prozent und hinter den Liberalen von Premierminister Mark Rutte.

Jacqueline Makbouli (45), Beraterin für öffentliche Sicherheit: «Wir sind ein Land mit vielen individuellen Freiheiten. Es wird wohl weniger, aber wir sind noch immer sehr tolerant.»
Foto: Miquel Gonzalez

«Hier in Beverwijk gibt es nicht mehr Migranten als anderswo in Holland», sagt die linksliberale Gemeinderätin Jacqueline Makbouli. Die ehemalige Polizistin ist halb Holländerin, halb Marokkanerin. Die Leute seien trotz anständiger Einkommen unzufrieden. «Sie wollen ihre Kultur verteidigen.»

Und man habe früher gerade schon böse Fehler gemacht, sagt die ehemalige Polizistin. «Man hat Horden reingeholt und alle in die gleichen Wohnblocks gesteckt.»

Heute tue man viel mehr für die Integration, sagt Makbouli, die als Sicherheitsberaterin für die Stadt Amsterdam arbeitet. Migrantenfamilien müssten sich etwa ständig auf dem Integrationsbüro melden. «Und kleine Kinder, die unsere Sprache nicht können, müssen mehrere Tage pro Woche in eine Vorschule.» Dort bringe man ihnen spielerisch Niederländisch bei und vermittle die hiesigen Werte und Normen. Viele junge muslimische Frauen gehen heute an die Hochschulen. Bildung sei ihr Ausweg aus der traditionellen, konservativen Kultur. «Von mir aus darf es Wilders als Premier probieren», sagt Makbouli. «Er würde wohl scheitern.» Aber so würden die Menschen erfahren, dass Politik nicht so einfach sei.

Chris Roovers (80), Rentner: «Ausländer erhalten Telefone und Wohnungen. Wilders spricht wichtige Sachen an. Aber ich wähle eine Frau, wohl jene der Tier-Partei.»
Foto: Miquel Gonzalez

So weit wird es wohl nicht kommen. Immer mehr Wilders-Sympathisanten wenden sich vom Scharfmacher ab. So auch der ehemalige Maurer Chris Roovers (80): «Zuerst wollte ich Wilders wählen, er spricht wichtige Sachen an, wie die Ausländerfrage.» Doch mittlerweile will Roovers seine Stimme der Chefin der Tier-Partei geben. «Wilders ist mir doch zu diskriminierend, zu asozial.»

«Ich würde effektiv sehr gerne raus aus der EU»

Herr Wilders, Sie fordern eine Volksabstimmung über einen Nexit, einen EU-Austritt. Warum?
Geert Wilders: Die Niederlande sollen wieder ein souveränes, selbständiges Land werden. Ein Land, das seine Grenzen, seine Migrationspolitik und seine Gesetzgebung selbst kontrolliert. Heute sind wir zu abhängig von diesem undemokratischen, totalitären Organ in Brüssel. Ich würde effektiv sehr gerne raus aus der EU. Wir gehören wie die Schweiz oder Grossbritannien zwar auch zur europäischen Familie. Wir müssen sicher zusammenarbeiten, miteinander Handel treiben. Aber wir brauchen dazu kein Organ wie die EU, an die wir so viele souveräne Rechte abgegeben haben.

Warum verweisen Sie auf die Schweiz?
Die Schweiz ist sicher ein Vorbild. Es ist ein Land im Herzen Europas, aber ausserhalb der EU. Mit einer starken Wirtschaft, mit mehr Möglichkeiten für eine eigene Migrationspolitik, mit direkter Demokratie. Bei Referenden können wir viel von euch Schweizern lernen. Die Schweiz hatte Freihandelsverträge mit China und Japan, während die EU noch nicht mal begann zu verhandeln. Auch ökonomisch hat das viele Vorteile, wenn man unilateral auf sich zugeschnitten schnell Politik machen kann.

Warum ist der Islam Ihr Feind?
Der Islam ist eine totalitäre Ideologie, die sich nicht mit Freiheit vereinbaren lässt. Der Islam ist totalitär und will das Leben einer ganzen Gesellschaft dominieren. Ich will, dass die Niederlande frei bleiben. Ich will unsere eigene Identität, unsere Kultur hochhalten. Die basiert auf Freiheit und stellt sich gegen Gewalt. Der Islam ist das pure Gegenteil. Es ist nicht so, dass alle Muslime schlecht sind, aber die Ideologie ist es.

Interview: Joël Widmer

Herr Wilders, Sie fordern eine Volksabstimmung über einen Nexit, einen EU-Austritt. Warum?
Geert Wilders: Die Niederlande sollen wieder ein souveränes, selbständiges Land werden. Ein Land, das seine Grenzen, seine Migrationspolitik und seine Gesetzgebung selbst kontrolliert. Heute sind wir zu abhängig von diesem undemokratischen, totalitären Organ in Brüssel. Ich würde effektiv sehr gerne raus aus der EU. Wir gehören wie die Schweiz oder Grossbritannien zwar auch zur europäischen Familie. Wir müssen sicher zusammenarbeiten, miteinander Handel treiben. Aber wir brauchen dazu kein Organ wie die EU, an die wir so viele souveräne Rechte abgegeben haben.

Warum verweisen Sie auf die Schweiz?
Die Schweiz ist sicher ein Vorbild. Es ist ein Land im Herzen Europas, aber ausserhalb der EU. Mit einer starken Wirtschaft, mit mehr Möglichkeiten für eine eigene Migrationspolitik, mit direkter Demokratie. Bei Referenden können wir viel von euch Schweizern lernen. Die Schweiz hatte Freihandelsverträge mit China und Japan, während die EU noch nicht mal begann zu verhandeln. Auch ökonomisch hat das viele Vorteile, wenn man unilateral auf sich zugeschnitten schnell Politik machen kann.

Warum ist der Islam Ihr Feind?
Der Islam ist eine totalitäre Ideologie, die sich nicht mit Freiheit vereinbaren lässt. Der Islam ist totalitär und will das Leben einer ganzen Gesellschaft dominieren. Ich will, dass die Niederlande frei bleiben. Ich will unsere eigene Identität, unsere Kultur hochhalten. Die basiert auf Freiheit und stellt sich gegen Gewalt. Der Islam ist das pure Gegenteil. Es ist nicht so, dass alle Muslime schlecht sind, aber die Ideologie ist es.

Interview: Joël Widmer

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