Die Debatte rund um die Selbstbestimmungsinitiative der SVP entwickelt sich zum Polit-Drama. Letzte Woche nervten SVP-Vertreter ihre Ratskollegen mit unzähligen Zwischenfragen – und wurden prompt von der Linken abgestraft.
Umgekehrt ärgerte sich gestern die SVP über ihre Kollegen, weil diese die Initiative noch in dieser Session durchpauken wollen. Dafür beraumte das Nationalratsbüro extra eine zusätzliche Nachtsitzung für nächsten Montag an. Diese wird nötig, weil sich über 80 Einzelredner für die heutige Diskussion angemeldet haben. Allein aus der SVP figurieren für heute 43 Fraktionsmitglieder auf der offiziellen Rednerliste.
Aeschi: «Alle gegen die SVP»
Die Redeschlacht ist minutiös geplant: SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (39, ZG) überlässt nichts dem Zufall: Das Vorgehen seiner Fraktion hat der Oberleutnant generalstabsmässig vorbereitet. Das zeigt ein parteiinternes Dokument, welches BLICK vorliegt. Darin ist das SVP-Drehbuch bereits fein säuberlich vorgeschrieben. So wird jedem Redner ein Thema samt Argumentationslinie diktiert.
Den Auftakt macht Aeschi gleich selbst. Er wird die Frage aufwerfen, warum sich die andern Fraktionen der Debatte verweigern. Und weshalb sich wieder einmal «einfach alle gegen die SVP» stellen.
Roger Köppel (53, ZH) gefällt sich einmal mehr dabei, das geplante EU-Rahmenabkommen zu verdammen und die Aushebelung der direkten Demokratie zu beklagen.
Rösti: «Alle anderen kapitulieren»
Magdalena Martullo-Blocher (48, GR) wird die Bedeutung der Selbstbestimmung für den Wirtschaftsstandort Schweiz hervorheben.
Und Ex-Fraktionschef Adrian Amstutz (64, BE) soll über die «Nichtumsetzung» der Masseneinwanderungs-Initiative schimpfen.
Den Schlusspunkt setzt schliesslich Parteichef Albert Rösti (50, BE) unter dem Motto «SVP kämpft für Schweizer Rechtssystem – alle anderen kapitulieren».
SP-Nordmann: «Massives Sperrfeuer»
Bei den anderen Parteien sorgt das Drehbuch für Verwunderung. «Darauf fehlt nur noch der Stempel aus Herrliberg», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann (45, VD). Für ihn zeigt der SVP-Aufmarsch nur eines: «Die Initiative ist so konfus, dass die SVP ein massives Sperrfeuer organisieren muss, um die Schwächen zu kaschieren.»
Das Dokument zeige nicht nur die straffe Führung der SVP-Fraktion, meint FDP-Nationalrat Kurt Fluri (62, SO), «sondern ist auch ein Indiz für die Verschleppungstaktik der SVP. Da muss offenbar jeder antreten – egal ob er will oder nicht.»
CVP-Müller: «Doppelspiel der SVP»
Bei CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (41, SO), der auf der offiziellen Rednerliste gleich nach Aeschi drankommt, sorgt das SVP-Drehbuch für Schmunzeln: «So kann ich mich besser auf mein Votum vorbereiten.»
Ernst fügt er aber an: «Es zeigt das Doppelspiel der SVP. Man wirft den Gegnern vor, sie würden nicht diskutieren, plant gleichzeitig aber minutiös einen Redeschwall.» Die SVP wolle nicht einen Dialog, sondern einen Monolog. «Der SVP geht es nicht um Lösungen, sondern um Selbstinszenierung.»
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels war Thomas Aeschi als «Oberstleutnant» bezeichnet und damit um zahlreiche Dienstgrade befördert worden. In Wahrheit ist er Oberleutnant.