BLICK macht den grossen Vergleich
So (un)weiblich ist die Schweizer Politik

So (un)weiblich ist die Schweizer Politik: BLICK hat alle Kantonsregierungen und -parlamente ausgewertet. Ergebnis: Schwyz und das Tessin sind am frauenfeindlichsten. Jetzt nimmt FDP-Präsidentin Petra Gössi ihre Heimat Schwyz in die Pflicht.
Publiziert: 21.12.2018 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2019 um 08:53 Uhr
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«Für viele Frauen ist der Ton in der Politik zu ruppig. Da sie dies nicht wollen, verzichten sie auf eine Kandidatur», sagt Petra Gössi über die Gründe ...
Foto: Keystone
Cinzia Venafro, Vinzenz Greiner, Marcel Aerni

In der Urschweiz Politik betreiben? Das ist Männersache! Ein Blick auf die Kantonsparlamente zeigt: Mit neun Prozent Frauenanteil ist der Kanton Schwyz im schweizweiten Vergleich weit abgeschlagen. Und auch in der Exekutive ist man als Frau um Rigi und Mythen allein auf weiter Flur: Im Schwyzer Regierungsrat sind 14 Prozent weiblich – oder eines von sieben Mitgliedern.

Wieso politisiert es sich als Frau im Herzen der Schweiz so schlecht? Schwyz brachte mit FDP-Präsidentin Petra Gössi (42) eine nationale Spitzenpolitikerin hervor. Jetzt nimmt die Freisinnige ihre Kantonskollegen in die Pflicht: «Ich erwarte, dass die Ortsparteien für die nächsten Kantonsratswahlen Frauen aufbauen und diese auf der Wahlliste geschickt platzieren», sagt Gössi.

«Der ruppige Ton in der Politik schreckt Frauen ab»

Wenigstens stellt ihre Partei mit «Frau Landesstatthalter» Petra Steimen-Rickenbacher (52) die einzige Regierungsrätin. Und auch Gössis Kantonalpräsidentin ist eine Frau. «Uns dreien ist es ein grosses Anliegen, Frauen für die Politik zu motivieren und ihnen aufzuzeigen, wie interessant, vielseitig und bereichernd Politik ist», sagt die Juristin.

Trotzdem: Die politische Kultur würde ihre Geschlechtskolleginnen abschrecken, so Gössi. «Für viele Frauen ist der Ton in der Politik zu ruppig. Da sie dies nicht wollen, verzichten sie auf eine Kandidatur.»

Allein daran könne es nicht liegen, widerspricht die Berner SP-Regierungsrätin Evi Allemann (40). Ihr Kanton ist mit 36 Prozent Frauenteil im Parlament und 43 Prozent in der Regierung der Genderchampion unter den Kantonen. «Der Ton ist in Schwyz kaum ruppiger als in Bern», sagt die Sozialdemokratin.

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«Jetzt sind auch die bürgerlichen Parteien gefordert»

Bern aber würde seit Jahrzehnten gezielte Frauenförderung betreiben. So lancierte die kantonale Fachstelle für die Gleichstellung das Wahltraining «Fit fürs Rathaus». Und zusammen mit ihren Regierungskolleginnen organisiert Evi Allemann einen Vernetzungsanlass für Exekutivfrauen oder engagiert sich als Mentorin in Förderprogrammen.

«Je länger ich politisch aktiv bin, desto klarer wird mir, dass Politik nicht nur tagsüber während der Sitzungszeiten passiert. Ein nicht zu unterschätzender Teil der politischen Arbeit findet ausserhalb der Sitzungszimmer statt, etwa abends in der Bar, bei informellen Gesprächen oder in ungezwungenen Treffen», so Allemann.

«Die Männer nutzen diese Netzwerke schon lange rege und schaffen so Loyalitäten, die später in politische Allianzen umgemünzt werden können. Darum rate ich allen Frauen: Geht mit, mischt euch ein.» Erst wenn solche Netzwerke über die Geschlechtergrenzen hinweg selbstverständlich sind, «ist die Gleichstellung Realität».

Tessinerin Carobbio: «Männer müssen auch mehr mit anpacken»

Frauenförderung hatte sich bisher vor allem Allemanns Partei auf die Fahne geschrieben. Doch mit Blick auf die Kantone sagt die Sozialdemokratin: «Wir brauchen sowohl linke wie bürgerliche Frauenvorbilder, um in den Kantonen die Parlamente durchmischter zu gestalten.»

Gleich zwei solche ziehen mit den neuen Bundesrätinnen Viola Amherd (56) und Karin Keller-Sutter (54) im Januar ins Bundeshaus ein. Eine grosse Freude für die höchste Schweizerin, die Tessinerin Nationalratspräsidentin Marina Carobbio (52), die seit 2007 feministische Politik unter der Bundeshauskuppel betreibt.

Doch ausgerechnet in ihrer Heimat sieht es für Frauen düster aus, in der Regierung sitzt keine einzige, im Parlament sind gerade mal 22 Prozent Frauen. «Das besorgt mich sehr!» Carobbio nimmt neben den Parteien auch die Medien in die Pflicht. Beide würden Frauen zu wenig Sichtbarkeit geben. Carobbios Forderung: Mehr Strukturen zur Vereinbarkeit – und Männer müssten bei der Care-Arbeit, also Betreuungsaufgaben in der Familie, «mehr mit anpacken».

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