In den letzten Jahren ist Familienpolitik immer mehr zur Wirtschaftspolitik geworden. Emanzipation, Geschlechtergerechtigkeit? Schaut man genauer hin, dann zeigt sich: Es geht weniger um die Würde von Frauen und Männern, sondern vielmehr darum, dass möglichst alle erwerbstätig sind und Einkommenssteuer zahlen.
Freie Märkte und Wettbewerb sind eine gute, für den Wohlstand wichtige Sache. Aber es braucht auch den Schutz der Familie und ihrer Freiheit, sich nicht hineinzwingen zu lassen in die Gesetze der Wirtschaft. Familie soll ein Ort der Entschleunigung bleiben, ein Ort unverzweckter Beziehungen. Jeder braucht eine solche zwischenmenschliche Heimat ohne Leistungsdenken.
Schutzwall gegen Bevormundung
Viele totalitäre Bewegungen und Regierungen der Vergangenheit richteten sich gegen die starke unabhängige Familie. Denn eine solche Familie ist der beste Schutzwall gegen staatliche Bevormundung. Und auch heute ist die Familie Gegenstand verschiedener Programme der Relativierung, Umerziehung und Humanverwertung.
Der Krippenplatz-Feminismus und die Ökonomisierung der Schule sind nur ein Ausdruck dieser Dynamik. Wir sagen «Vielfalt» und «Freiheit», bewegen uns damit aber nur in Richtung Austauschbarkeit und Konkurrenz. Das Leben als ganzheitliches Fitnesscenter. Dazu passt der Erwerbszwang für beide Elternteile, denn heute ist es für einen Handwerker oder eine Krankenschwester kaum möglich, mit einem einzigen Einkommen eine Familie durchzubringen.
«Die letzte Form der Subversion»
Der Raum, in dem der Mensch einfach sein darf, wie er ist, geschätzt um seiner selbst willen, geliebt von der Empfängnis bis zum Tode, wird immer kleiner, immer enger. Vielleicht hilft uns da wieder die christliche Vision von Familie, wer weiss? An der Weltbischofs-Synode 2015 hatte Papst Franziskus betont, Ehe und Familie seien eine göttliche Berufung und keine wirtschaftspolitische Verfügungsmasse.
Würde es uns schaden, wenn Politikerinnen und Politiker ab und zu auf einen Papst hören und die Kultur der Optimierung und Totalverwertung in Frage stellen? Dann könnte sogar wieder wahr werden, was der Philosoph Theodor Adorno einmal gesagt hat: «Die Ehe ist die letzte Form der Subversion im Zeitalter des Warentausches.»
Giuseppe Gracia (50) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.