BLICK-Kolumnist Claude Cueni über ein unappetitliches Thema
Biowaffen im Mittelalter

Die Geschichts-Kolumne von Claude Cueni dreht sich diesmal buchstäblich um ein Scheissthema: Es geht um das Geschäft, das wir auf Toiletten verrichten – und das in früheren Zeiten lukrativ war.
Publiziert: 09.03.2018 um 21:52 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 22:55 Uhr
Im Mittelalter wurde der braune Rohstoff im Kampf und bei der Belagerung von Burgen eingesetzt.
Foto: Pali Rao
Claude Cueni

Jeder kennt es, niemand mag es riechen, man spricht nicht gerne darüber, ausser wenn man darin ausrutscht. Es ist ein Scheissthema. Doch Victor Hugo vertrat die Ansicht, dass sich in der Geschichte der Kloaken die Geschichte der Menschen widerspiegelt.

Unsere nomadisierenden Vorfahren setzten ihre Häufchen gerade dort, wo sie sich aufhielten, und zogen dann weiter. Als sie sesshaft wurden, wuchsen die Häufchen. Man baute Sickergruben und erkannte, wie kostbar dieser Rohstoff als Dünger in der Landwirtschaft und für den Hüttenbau war.

Im Mittelalter wurden dann die ersten Biowaffen erfunden und der braune Rohstoff auch bei der Belagerung von Burgen eingesetzt. Die Angreifer schleuderten mit Exkrementen gefüllte Fässer mit Katapulten über die Burgmauern. Nebst dem demoralisierenden Gestank und dem glitschigen Boden verbreiteten sich allerlei Krankheiten in der Burg. Wer offene Wunden hatte, starb an einer Infektion.

Claude Cueni (62) ist ­Schriftsteller und lebt in Basel. Sein neuer Roman «Der Mann, der Glück brachte» erscheint im März. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.
Foto: Thomas Buchwalder

Waterboarding mit Jauche

Während des Dreissigjährigen Krieges wurde der Schwedentrunk populär: Waterboarding mit Jauche. Erfunden haben es, wie fast alle grausamen Foltermethoden, die Prediger der christlichen Nächstenliebe, die als Konquistadoren ihren barmherzigen Gott zu den Heiden brachten.

1696 erschien dann das gesammelte Scheisswissen in der «Drecksapotheke» des Universalgelehrten Paullini, der Kot-Inhalieren zur Abwehr von Pesterkrankungen empfahl. Und 100 Jahre später schlug der französische Philosoph Pierre Henri Leroux allen Ernstes vor, die Steuern mit der eigenen Notdurft zu begleichen. So kostbar war dieser Rohstoff.

Tyson macht aus Gold Scheisse

Aber das ist nicht der Grund, wieso Mike Tyson gestand: «Ich mache aus Gold Scheisse.» Der Künstler Piero Manzoni hatte es 1961 andersherum versucht. Als sein Vater ihm sagte: «Deine Arbeit ist Scheisse», füllte er jeweils 30 Gramm seiner Notdurft in 90 nummerierte Konservendosen und verkaufte sie zum damaligen Goldkurs von 37 Dollar pro Unze.

Hat er einen Käufer gefunden? Im Jahr 2008 wurde eine dieser Dosen bei Sotheby's bereits für 132'000 Euro versteigert. Ein neugieriger Sammler wollte es genau wissen und öffnete seine erworbene Dose. Es war genau das drin, was draufstand: «Merda d'Artiste», Künstlerscheisse.

Claude Cueni (62) ist ­Schriftsteller und lebt in Basel. Sein neuer Roman «Der Mann, der Glück brachte» erscheint am 20. März. Cueni schreibt alle zwei Wochen im BLICK. 

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