BLICK erklärt die Unternehmenssteuerreform III
High Noon im Bundeshaus

Zurzeit liefern sich Nationalrat und Ständerat ein Duell wie im Wilden Westen. Mit Gastauftritt von Franz Kafka.
Publiziert: 14.06.2016 um 07:50 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:17 Uhr
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Wer zuerst blinzelt, hat verloren: Nationalrat und Ständerat streiten um Steuergeschenke
Foto: Blick
Christoph Lenz

Die trockene Bundespolitik und die aufregende Welt der Kultur – das geht eigentlich nicht zusammen. Doch es gibt Ausnahmen. Nationalrat und Ständerat liefern sich derzeit ein Duell wie in einem packenden Western: Wer zuerst blinzelt, hat verloren.

Streitpunkt ist das wichtigste und teuerste Steuergeschäft der Legislatur, die Unternehmenssteuerreform III. Ihr Zweck: Die Schweiz muss ihre international verpönten Steuerschlupflöcher schliessen. Eine allgemeine Senkung der Gewinnsteuern und neue Sonderrabatte sollen den drohenden Exodus von Firmen verhindern.

Seit zwei Wochen schieben die Räte das Geschäft hin und her. Bis Ende Woche muss ein Kompromiss gefunden sein. Doch von Einigung – keine Spur.

Angst vor dem SP-Referendum

Die kleine Kammer fürchtet sich vor dem SP-Referendum und plädiert für eine schlanke Reform mit kontrollierbaren Steuerausfällen. Die grosse Kammer beharrt auf üppigeren Steuergeschenken und einem uneingeschränkten Wettbewerb zwischen den Kantonen.

Besonders umstritten ist die sogenannte zinsbereinigte Gewinnsteuer. Das Instrument nützt vorab Unternehmen mit viel Eigenkapital. Es würde ihnen erlauben, einen fiktiven Zins auf ihrem Eigenkapital vom steuerpflichtigen Gewinn abzuziehen.

Man kann es sich vorstellen wie bei einer Bank: Wer genug Geld auf dem Konto hat, muss keine Gebühren für die Kontoführung bezahlen. Wer hat, dem wird gegeben.

Neue Methoden fürs Steuerparadies

Während dieses Prinzip in der Beziehung zwischen Banken und ihren Kunden legitim ist, wirft es beim Staat eine Vielzahl von heiklen Fragen auf. Steuerrechtliche, aber auch politische.

Die Offensichtlichsten: Warum soll jemand eine Ausgabe von seinen Steuern abziehen dürfen, die gar nicht existiert? Warum soll der Staat Unternehmen schonen, die sich aus freien Stücken entscheiden, viel Eigenkapital in ihrer Bilanz zu halten? Und warum soll die Politik definieren, welcher Eigenkapitalanteil normal – und damit nicht abzugsberechtigt – und welcher «überschüssig» ist?

Die Antwort: Es geht dem Parlament nicht um Steuergerechtigkeit. Es geht um die Fortsetzung der Steuerparadies-Politik mit neuen Mitteln.

Milliarden in KMUs

Die zinsbereinigte Gewinnsteuer richtet sich primär an Konzerne, die einen Grossteil ihres Kapitals in einer Finanzgesellschaft deponieren und für diese einen steuergünstigen Standort suchen. Von aussen betrachtet handelt es sich bei den Finanzgesellschaften um KMUs: Wenig Personal, wenig Fläche, wenig Wertschöpfung. Hinter der Fassade stecken aber oft Milliarden. Vorne Milchlädeli, hinten Grossbank.

Ohne zinsbereinigte Gewinnsteuer würden diese Gesellschaften der Schweiz den Rücken kehren, heisst es nun oft. Die Steuerausfälle von bis zu 400 Millionen Franken seien nicht verkraftbar.

Hohe Steuerausfälle

Allerdings: Auch die Einführung der zinsbereinigten Gewinnsteuer ist nicht gratis. Sie würde bei einem Zinssatz von 3 Prozent, dem langjährigen Mittelwert, sogar 600 Millionen Franken kosten.

Der Ständerat möchte dieses Loch durch eine Gegenfinanzierung in Grenzen halten. Nicht so der Nationalrat. Er ist bereit, den Wegfall von 400 Millionen Franken mit einem 600 Millionen-Franken Steuergeschenk zu verhindern.

Setzt er sich durch, wird aus dem Bundeshaus-Western eine klassische Groteske. Franz Kafka hätte es geliebt.

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