Pierre Maudet am Dienstagabend an der Versammlung der FDP Genf.
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Maudet wird Präsidium entzogen:Maudet wird Regierungspräsidium entzogen

Genfer FDP-Präsident tritt ab
«Maudet ist schuld an einer totalen Spaltung der Partei»

Die Genfer FDP hat entschieden: Sie hält weiterhin zu ihrem Staatsrat Pierre Maudet. Dafür muss sich die Partei nun eine neue Spitze suchen.
Publiziert: 15.01.2019 um 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2019 um 19:46 Uhr
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Pierre Maudet musste sich am Dienstag der Vertrauensfrage stellen.
Foto: Keystone
Sermîn Faki und Lea Hartmann

Die Genfer FDP hat sich gestern an der ausserordentlichen Delegiertenversammlung hinter ihren Staatsrat Pierre Maudet (40) gestellt. 341 der 709 anwesenden FDP-Mitglieder sprachen Maudet ihr Vertrauen aus. 312 sagten Nein, 56 enthielten sich.

Maudet sieht sich bestätigt – selbst wenn er seine politische Zukunft nicht vom Ergebnis der Abstimmung abhängig gemacht hatte. «Das Vertrauen freut mich», sagte er nach der Abstimmung zu BLICK. «Es gibt mir Kraft, weiter zu kämpfen – für mich, aber auch für den Kanton Genf.»

Basis der FDP Genf spricht Maudet Vertrauen aus
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Soll Genfer Staatsrat bleiben:Basis der FDP Genf spricht Maudet Vertrauen aus

Parteipräsident wird zurücktreten

Allerdings fiel die Mehrheit zugunsten Maudets knapp aus. Rechnet man Nein-Stimmen und Enthaltungen jener Delegierten, die sich nicht hinter ihn stellen mochten, zusammen, konnte der Regierungsrat die Delegierten nicht hinter sich bringen. Das ist die Darstellung von Alexandre de Senarclens (43), Noch-Präsident der Genfer Liberalen.

De Senarclens ist der Verlierer des gestrigen Abends. Er hatte das Ergebnis der Abstimmung mit seinem eigenen politischen Schicksal verknüpft. Das Ja zu Maudet bedeutet für ihn, von der Parteispitze zurückzutreten. Wahrscheinlich Anfang März wird eine weitere ausserordentliche Delegiertenversammlung stattfinden, an der das Präsidium neu bestellt werden muss.

«Es ist an ihm, das Ergebnis zu deuten»

Für de Senarclens war der Abend aber nicht nur aus persönlicher Hinsicht ein Debakel. «Pierre Maudet ist schuld an einer totalen Spaltung der Partei», sagte er nach Verkündigung des Abstimmungsergebnisses zu BLICK. Maudet habe gesagt, er wolle die Versammlung nutzen, um der Basis den Puls zu fühlen. Es sei nun an ihm, das Ergebnis zu deuten und für sich herauszufinden, ob er sich unterstützt fühlt. «Ich wäre mir an seiner Stelle da nicht so sicher.»

Dass ein tiefer Riss durch die FDP Genf geht, wurde am Abend deutlich. Die gut zweistündige Debatte verlief äusserst emotional, wobei vor allem die Unterstützer Maudets ihren Gefühlen mit heftigem Applaus, Zurufen und beherzten Voten Ausdruck verliehen.

«Ich gebe zu, dass ich Fehler begangen habe»

Die Lager – pro und contra Maudet – stehen einander unversöhnlich gegenüber. Auffällig: Viele Mandatsträger der Partei sprachen sich gegen Maudet aus, wohingegen sich dieser der Unterstützung vieler einfacher Parteigänger erfreuen durfte. Sie wollten die Lüge verzeihen und stellten den Fehlern Maudets seine Verdienste um die Partei gegenüber. Seine Gegner hätten ihn zum Staatsfeind Nummer 1 gemacht.

Maudet selbst gab sich einsichtig und kämpferisch zugleich: «Ich gebe zu, dass ich Fehler begangen habe», sagte er den Delegierten. «Ich versichere aber, dass ich nie zweimal den selben mache.» In der verbleibenden Amtszeit wolle er noch stärker zeigen, dass er ein Vorbild sei.

Er schwor die Partei zudem darauf ein, zusammenzuhalten. Wenn man seinen Kopf fordere, spiele man den politischen Gegnern in die Hände, warnte er. Er sei Staatsrat und wolle Genf und der FDP dienen. Und dafür werde er kämpfen. Kämpfen dafür, dass er Genf auch künftig in die Zukunft führen könne. «Das ist keine Arroganz», beeilte sich Maudet anzufügen.

Gegner sehen vor allem ein Problem: Maudets Lügen

Auch an diesem Abend wurde deutlich: Für den umstrittenen Staatsrat dreht sich alles um die Frage der Schuld. Er gibt zwar zu, Fehler gemacht zu haben – so lange diese aber keine strafrechtlichen Folgen haben, will er auch politisch keine Konsequenzen ziehen.

Seine Gegner hingegen sehen das anders. Was für sie entscheidend ist, ist nicht primär die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, sondern dass Maudet wiederholt und mit voller Absicht gelogen hat. Er selbst habe in der Vergangenheit in parteiinternen Diskussionen immer wieder gesagt, lügen komme nicht in Frage, erinnerte ihn der Genfer Nationalrat Hugues Hiltpold. Ein älterer Herr räumt ins Feld, dass wohl jedem schon mal eine Lüge über die Lippen ging. Doch lügen in der Politik – das gehe einfach nicht. Selbst wenn die Justiz Maudet eines Tages entlasten werde – bis dahin vergehe sehr viel Zeit. Zeit, in der die Partei mit einem «furchtbaren Vertrauensverlust» zu kämpfen habe. 

«Das ist alles sehr, sehr traurig»

Dennoch fiel auf, wie viel Bedauern in den Voten mitschwang – selbst in jenen der Gegner. Beinahe verzweifelt klang Nationalrat Christian Lüscher (55): «Du warst der beste unter uns», sagte er an die Adresse Maudets. «Du hast die Partei in ungeahnte Höhen katapultiert. Die FDP Genf und du – das war eine tiefe Liebe. Das alles ist sehr, sehr traurig.» Doch die Frage, die zu beantworten sei, laute: Ist es richtig, dass Maudet Staatsrat bleiben kann. Lüscher knallhart: «Die Antwort ist Nein.»

Abstimmung und Debatte zeigen vor allem eins: Die grösste Partei des Kantons Genf ist tief gespalten. Die Affäre Maudet ist bei weitem noch nicht ausgestanden. Denn immer noch hat die FDP einen Staatsrat, der nicht voll einsatzfähig ist: Die Dossiers Flughafen, Polizei und Justiz sind Maudet weiterhin entzogen. Und das wird bis zum Ende der Strafuntersuchung so bleiben.

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