BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zur Kündigungs-Initiative
Deshalb greift Blocher erneut mit Ausländer-Thema an

Im Frühling stimmen wir über die Initiative «für eine massvolle Zuwanderung» ab. Doch worum geht es dabei eigentlich? BLICK erklärt das erste Abstimmungshighlight des neuen Jahres.
Publiziert: 05.02.2020 um 15:10 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2020 um 15:42 Uhr
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Christoph Blochers SVP zieht mit der Kündigungs-Initiative in eine neuerliche Zuwanderungsschlacht an der Urne.
Foto: keystone-sda.ch
Nico Menzato

Sie ist das Abstimmungshighlight in der ersten Jahreshälfte: die Kündigungs-Initiative der SVP. Ab der nächsten Woche wird sie die Schlagzeilen dominieren. Auch, weil die Abstimmung der Auftakt zum Europa-Jahr 2020 ist: Denn danach wird sich die Schweiz entscheiden müssen, ob sie ein Rahmenabkommen mit der EU will oder nicht. Doch worum geht es bei der SVP-Initiative überhaupt? BLICK klärt die wichtigsten Fragen.

Was will die SVP-Initiative «für eine massvolle Zuwanderung»?

Die SVP spricht von der Begrenzungs-Initiative. Die Gegner von der Kündigungs-Initiative. Das Ansinnen will gemäss Initiativtext eine eigenständige Regelung der Zuwanderung. Sie verlangt vom Bundesrat explizit, das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU zu kündigen. Falls es nicht gelingt, das Abkommen innerhalb eines Jahres durch Verhandlungen ausser Kraft zu setzen. Ziel der SVP ist eine tiefere Zuwanderung. Eine konkrete Zahl nennt sie nicht.

Wann findet die Abstimmung statt?

Am 27. September. Die SVP hat angekündigt, am 10. Februar mit der Kampagne zu starten – einen Tag nach dem Urnengang zur Wohninitiative und zur Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm.

Wieso kommt die SVP nach dem Volks-Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) von 2014 erneut mit einer Zuwanderungs-Initiative?

Weil die MEI vom Parlament nicht wortgetreu umgesetzt worden ist. Die SVP verlangte mit der MEI, das der Bundesrat mit der EU die Personenfreizügigkeit neu verhandelt. Dies gelang nicht. Weil die SVP in der MEI keine Kündigung der Verträge forderte, setzte das Parlament die Initiative sanft um – mit einem Inländervorrang light. Die SVP sprach von «Verfassungsbruch» und lancierte eine neue Initiative.

Hat denn der Inländervorrang die Zuwanderung begrenzt?

Das kann noch nicht beantwortet werden. Der Inländervorrang – respektive eine Stellenmeldepflicht – ist erst seit Sommer 2018 in Kraft. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat eine Untersuchung angekündigt, die diese Frage dereinst beantworten will. Ob dies abschliessend gelingt, ist fraglich. Weil die Zuwanderung von vielen Faktoren abhängig ist.

Wie hoch ist eigentlich die Zuwanderung?

Wenn von «Zuwanderung» gesprochen wird, meinen die Politiker und Behörden meist die Netto-Zuwanderung. Diese ergibt sich aus der Einwanderung abzüglich der Auswanderung. Im letzten Jahr betrug diese Zuwanderung 55'000 Personen. 2013 – kurz vor dem Ja zur MEI – betrug sie 81'000 Personen. Seither sank sie kontinuierlich, seit 2017 stagniert sie.

Kommt der Grossteil der Einwanderer aus der EU?

Ja, von den 55'000 Zuwanderern stammen 32'000 aus der EU und den EFTA-Staaten. Der Rest kommt aus Drittstaaten. In den Zuwanderungszahlen nicht inbegriffen sind Flüchtlinge. 14'000 Personen stellten 2019 ein Asylgesuch.

Wie viele Personen leben mittlerweile in der Schweiz?

8,6 Millionen. Davon hat rund ein Viertel keinen Schweizer Pass. Die grösste Ausländergruppe sind die Italiener, gefolgt von den Deutschen, Portugiesen, Franzosen und Kosovaren.

Die SVP warnt vor einer 10-Millionen-Schweiz. Hat sie recht?

Im Jahr 2000 lebten 7,2 Millionen Personen in der Schweiz. In zwei Jahrzehnten sind also 1,4 Millionen hinzugekommen. Geht es in dieser Grössenordnung weiter, zählt die Schweiz um das Jahr 2040 insgesamt 10 Millionen Einwohner. Die Schweiz wächst jedoch nicht nur wegen der Zuwanderung. Es gibt auch einen Geburtenüberschuss: Es kommen mehr Babys zur Welt als Personen sterben.

Wer bekämpft die SVP-Initiative?

Alle Parteien ausser der SVP und alle Wirtschaftsverbände sowie die Gewerkschaften sind dagegen. Ebenso der Bundesrat. Und selbst in der SVP gibt es kritische Stimmen. Die beiden Nationalräte Diana Gutjahr und Thomas Hurter unterstützen die Initiative nicht.

Was sind die Argumente der Gegner?

Sie erachten die Personenfreizügigkeit als positiv: Ein Wegfall hätte schädliche Folgen für den Wirtschaftsstandort Schweiz. «Die Personenfreizügigkeit ermöglicht es den Unternehmen, bei Bedarf flexibel und mit geringem administrativen Aufwand auf ein grosses Arbeitskräfteangebot, insbesondere auch von Fachkräften, zurückzugreifen», heisst es in der bundesrätlichen Botschaft. «Dies sichert Arbeitsplätze in der Schweiz, stärkt die hiesige Wirtschaft und ihre Wettbewerbsfähigkeit.»

Ist der bilaterale Weg bei einem Ja Geschichte?

Womöglich schon. Wegen der sogenannten Guillotine-Klausel, welche die Verträge verknüpft, könnten auch die anderen Abkommen der Bilateralen I wegfallen. Damit wäre die Basis des bilateralen Wegs weg. Die SVP argumentiert, die EU würde die anderen Verträge aus Eigennutz nicht aufkünden – etwa das Landverkehrsabkommen.

Hat die Initiative eine Chance?

Die Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative 2014 zeigte, dass viele in der Schweiz die hohe Zuwanderung ablehnen. Dies dürfte sich seither nicht geändert haben. Die Initiative hat dennoch einen schwereren Stand. Weil sie explizit die Kündigung der Personenfreizügigkeit fordert (die MEI wollte sie nur neu verhandeln). Und weil die Zuwanderung im Vergleich zu 2013 um immerhin einen Drittel gesunken ist. Auch sind die Asylzahlen so tief wie seit 2007 nicht mehr. Dies wird einen Einfluss auf die Gemüter der Schweizer haben, auch wenn die Vorlage nichts mit dem Asylwesen zu tun hat. In einer Umfrage von Anfang Jahr lehnten 58 Prozent die Initiative ab.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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