Bilanz zum Ende der Legislatur zeigt
SVP-Köppel schwänzte 1006 Abstimmungen!

4341 Entscheide fällten die Nationalräte seit 2016. Nun zeigt sich: Manche Politiker waren bei jedem fünften Beschluss abwesend.
Publiziert: 05.10.2019 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2021 um 18:59 Uhr
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Das Bundeshaus: 4341 Entscheide fällte der Nationalrat hier währen der vergangenen Legislatur. Manche Politiker waren bei jeder fünften Abstimmung abwesend.
Foto: Keystone
Fabian Eberhard

Sie gehören zu den Alphatieren im Berner Politbetrieb, schwänzen aber, was das Zeug hält: Roger Köppel (SVP), Martin Bäumle (GLP), Hans Grunder (BDP) und Gerhard Pfister (CVP). In der vergangenen Legislatur fehlte im Bundeshaus kein Politiker häufiger als die vier Bürgerlichen.

Das Start-up Politik.ch hat für den SonntagsBlick sämtliche Abstimmungen der letzten vier Jahre im Nationalrat ausgewertet. Die Analyse zeigt: Einzelne Parlamentarier waren bei mehr als jedem fünften der insgesamt 4341 Beschlüsse abwesend (siehe Grafik), allen voran der «Weltwoche»-Chef und Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel. Er verpasste nicht weniger als 1006 Abstimmungen.

Köppel sieht kein Problem

Köppel sieht darin kein Problem, im Gegenteil. Er fehle, wenn sich das Parlament nur mit sich selbst beschäftige. Und der Steuerzahler spare dadurch Geld: «Ich bin kein Araldite-Politiker, der zum Sitzungsgeldkassieren am Sessel klebt.»

Mit ein Grund für seine häufigen Abwesenheiten, so Köppel, seien die Tätigkeiten als Chefredaktor und Verleger sowie der in den letzten Monaten «enorm hohe Aufwand» für seinen Ständeratswahlkampf.

GLP-Nationalrat Martin Bäumle zeigt sich reumütiger. Mit 946 verpassten Abstimmungen belegt er den zweiten Platz des Schwänzer-Rankings. Er sagt offen: «Das waren zu viele. Leider habe ich auch einige wichtige Abstimmungen verpasst. Doch kaum eine umstrittene.»

«Wenn man Amt annimmt, sollte man anwesend sein»

Trotz allem betont Bäumle, dass Präsenz nicht zum Hauptkriterium der politischen Arbeit werden dürfe. Als Milizpolitiker stehe man immer wieder vor Terminkollisionen und müsse einfach Prioritäten setzen.

Termindruck kennt auch Andrea Geissbühler. «Als Mutter von drei kleinen Kindern und Reitpädagogin bin ich sehr ausgelastet», sagt die SVP-Nationalrätin. Dennoch war niemand öfter im Parlament anzutreffen als sie, die in vier Jahren Legislatur gerade mal drei Abstimmungen verpasst hat.

«Wenn man ein Amt annimmt, sollte man auch anwesend sein», findet Geissbühler – wie bei jedem anderen Job. Ihre schwänzenden Ratskollegen will die Bernerin aber nicht öffentlich kritisieren. «Jeder ist alt genug, um für sich selbst zu entscheiden.»

«Wir haben de facto ein Berufsparlament»

Die Analyse von Politik.ch zeigt auch: Am häufigsten fehlen Parlamentarier der BDP-Fraktion, beinahe gleichauf mit jenen von GLP und FDP. Am häufigsten anwesend sind Politiker von Grünen und SP.

Fehlzeiten von mehr als 20 Prozent – lässt sich so der Wählerauftrag überhaupt noch erfüllen? Jein, sagt der Politologe Georg Lutz. Die Erwartung der Wählerschaft sei wohl schon, dass die Parlamentarier auch an den Sessionen teilnehmen. Es gebe aber weder eine klare Definition des Wählerauftrags noch Sanktionsmöglichkeiten.

Das Grundproblem ortet Lutz bei der grossen Auslastung, welcher Parlamentarier heute unterworfen sind. Das Milizparlament ist für ihn denn auch mehr Mythos als Realität: «Wir haben de facto ein Berufsparlament mit nur wenigen Ausnahmen.»

Kaum ein Nationalrat sei noch mit einem normalen Arbeitsverhältnis im angestammten Beruf tätig. Georg Lutz: «Das ist kaum möglich, die zeitliche Belastung und die notwendige Flexibilität für das politische Mandat lassen das gar nicht zu.»

Für den Politologen der Universität Lausanne ist deshalb klar: Ein Berufsparlament wäre die ehrliche Konsequenz.

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