Der Bundesrat will die Hürden für den Zivildienst wieder erhöhen, wie er gestern entschied. So sollen etwa Soldaten, die dem Militär den Rücken kehren, mindestens 150 Diensttage als Zivi leisten. Vor knapp einem Jahrzehnt genau das Gegenteil: Damals hat Bern den zivilen Einsatz mit der Abschaffung der Gewissensprüfung attraktiver gemacht.
Seither werden Militär- und Zivildienst gegeneinander ausgespielt. Dabei sollte sich die Politik besser grundsätzliche Gedanken über die Dienstgerechtigkeit machen.
Buch statt Gewehr
Meine Erfahrungen in den beiden angeblich so bedeutenden Institutionen sind wenig schmeichelhaft. Meine Einsätze als Soldat wie auch als Zivi brachten der Gesellschaft wenig. Ich genoss ein Flohnerleben – auf Kosten der Allgemeinheit.
2001 bildete mich die Armee zum Luftbeobachter aus. Wochenlang lernte ich, feindliche Jets von den eigenen zu unterscheiden – und dies vom Berg ins Tal durchzufunken. Damit unsere Luftwaffe im Ernstfall nicht die eigenen Jungs vom Himmel holt. So weit, so okay.
Kaum war die RS vorbei, schaffte die Armee im Zuge der Armeereform XXI meine Truppengattung ab. Die Kadis wussten nicht, was sie mit mir und meinen Artgenossen anfangen sollten. Mit einem Buch statt dem Sturmgewehr in der Hand «bewachte» ich ein paar Stunden die Truppenunterkunft. Da störte es auch niemanden, dass ich zeitweise die Nachmittage im Kino oder Café verbrachte.
Freunde überzeugten mich, den Widersinn zu beenden und Zivi zu werden. Um «etwas Sinnvolles» zu leisten. Dass dadurch die Zahl meiner Diensttage nach oben schoss, stellte sich als grosses Glück heraus. Sie bedeutenden viele zusätzliche Ferientage.
Jeder Vierte wählt den blauen Weg
Zeitweise «musste» ich von zu Hause aus arbeiten, die Organisation hatte keinen freien Arbeitsplatz. Das ist zwar eigentlich nicht erlaubt – aber hey, wo kein Kläger, da kein Richter. Das wenige, was ich zu leisten hatte, war trotz ausgiebigem Morgenschlaf vor dem Mittag beendet. Zum guten Glück war es sonnig, die Gewässer waren angenehm warm – langweilig war es mir nie.
Einverstanden, solch krasse Erfahrungen machen die wenigsten. Die Intensität der WK hat in den letzten Jahren wieder zugenommen. Und die meisten Zivi-Jobs sind mehr als Halbtags-Jöbli. Aber längst nicht alle. Geschichten über unnütze Arbeiten und Strategien, sich die Zeit totzuschlagen, erzählen die allermeisten. Dieser dienstfreie Dienst kostet die Allgemeinheit Millionen von Franken.
Jeder vierte Schweizer leistet heute überhaupt keinen Dienst mehr und wählt den blauen Weg. Die Dienstgerechtigkeit ist längst eine Utopie. Höchste Zeit, sich davon zu verabschieden.