Besoffen im Bundeshaus – so torkelte CVP-Star Yannick Buttet ins Aus
Barbara Steinemann liess ihn stehen

Grenzüberschreitungen sind beim Walliser Nationalrat offenbar an der Tagesordnung. Unter Alkoholeinfluss geht Buttet im Bundeshaus auf Frauen los.
Publiziert: 02.12.2017 um 23:38 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:55 Uhr
1/5
Grünen-Fraktionsschef Baltashar Glättli will eine Anlaufstelle für Opfer von Belästigungen.
Foto: Monika Flückiger
Marcel Odermatt und Simon Marti

Hoffnungsträger sind in der CVP so rar wie Wahlerfolge. Wenn einer bei den Konservativen aber zu den Heilsbringern gehört, ist es Yannick Buttet. Dem 40-jährigen Parteivize aus Collombey-Muraz im Unterwallis wurde eigentlich alles zugetraut. Ein Ständeratssitz, der Sprung in die Regierung des Rhone-Kantons, eines Tages gar der Schritt in die Landesregierung – der zweifache Vater und Oberstleutnant blickte einer glänzenden politischen Kar­riere entgegen.

Seit Donnerstagmorgen ist alles anders. An diesem Tag berichtete die Zeitung «Le Temps», dass eine ehemalige Geliebte Buttet angezeigt hat. Er soll in der Nacht vom 18. auf den 19. November immer und immer wieder bei ihrem Haus in Sierre VS geklingelt haben. Als die von der Frau alarmierte Polizei eintraf, habe er versucht, sich im Garten zu verstecken. Zuvor soll er sie mit E-Mails, SMS und Telefonanrufen drangsaliert haben – bis zu 50-mal am Tag. Buttet bestätigt den Kontaktversuch, bestreitet jedoch den Vorwurf des Stalkings, der die Zeit davor betrifft.

Plumpe Avancen beim Tanz

Jetzt zeigt sich: Nicht nur gegenüber seiner Ex-Freundin, die ebenfalls für die CVP politisiert, kannte Buttet seine Grenzen nicht. Auch im Bundeshaus fiel er immer wieder negativ auf. So am 20. September, dem Tag der Wahl von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Damals betrank sich der Walliser an den anschliessenden Apéros derart, dass er bereits am frühen Abend sturzbetrunken durchs Ratsgebäude torkelte. Um sieben Uhr wankte er ins Restaurant Galerie des Alpes im Bundeshaus. Dort spielten die Rheintaler Volksmusiker Die Nachtfalter.

Da wurde der alkoholisierte Walliser auf SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann (41, ZH) aufmerksam. «Die Stimmung war fröhlich, die anwesenden Parlamentarier waren locker», erinnert sich Steinemann gegenüber SonntagsBlick. «Zwischen sieben und acht Uhr abends tanzte Buttet mich ein paar Mal an», so Steinemann weiter. «Ich liess ihn jeweils stehen.» Anwesende erinnern sich, wie Steinemann ihn brüsk abwehren musste. Trotz dieser plumpen Avancen habe sie sich nicht belästigt gefühlt, sagt die Politikerin.

Ein paar Gläser genügen

Andere Politikerinnen machten mit Buttet ähnliche Erfahrungen, wollen aber anonym bleiben. «Nach ein oder zwei Gläsern», berichtet eine Ratskollegin aus der Romandie, «nähert er sich jeder Frau.» Buttet sei «kein Böser, aber er hat ein Problem, wenn er zu viel getrunken hat». CVP-Präsident Gerhard Pfister (55) hat null Verständnis für solche Eskapaden. Er nimmt den Fall Buttet zum Anlass für eine grundsätzliche Kritik am Verhalten seiner Parlamentskollegen. «Politiker sollen sich auf ihre Aufgabe konzentrieren. Dafür sind sie gewählt», sagt der Zuger klipp und klar. Nur weil die eidgenössischen Räte ein Milizparlament seien, «heisst das nicht, dass wir diesen Job wie Amateure ausüben dürfen».

Ungeachtet dieser Schelte des obersten CVPlers und der Kritik an seinen Eskapaden: Bis gestern Abend klammerte sich der Berufspolitiker an sein Amt. Für seine Kollegen nicht überraschend. «Seine ganze Existenz und die seiner Familie hängt an seinem Mandat in Bern», so ein Parteikollege. Trotzdem: Die Affäre hat den ehemaligen Shootingstar isoliert. Am Freitag liess sogar CVP-Aushängeschild Doris Leuthard (54) den Walliser fallen wie ein Stück Brot im Fondue-Caquelon. Wenn die Vorwürfe stimmten, habe «Herr Buttet ein Problem», gab die Bundesrätin zu Protokoll. Und ein Mitglied des Parteipräsidiums sagt zu SonntagsBlick: «Buttet wird sich nicht halten können.» Das elfköpfige Gre­mium trifft sich womöglich schon morgen zu einer Aussprache.

Kein generelles Problem im Parlament

Sicher ist auch: Der Fall Buttet hat das Parlament aufgeschreckt. Schon am Donnerstagmorgen diskutierte das Büro des Nationalrats über die Schaffung einer Ombudsstelle. Das Bundeshaus sei kein weisser Fleck punkto sexueller Belästigung, sagt der grüne Fraktionschef Balthasar Glättli (45, ZH). Das zeige auch der Fall Buttet. «Aber auch andere Männer kennen ihre Grenzen offensichtlich nicht», so Glättli. «Das Problem ist: Opfer haben heute keine fachkompetente Stelle, an die sie sich wenden können. Wir Grünen haben deshalb im Büro des Nationalrates angeregt, es sei eine Anlauf- und Beratungsstelle zu schaffen, wie sie heute viele Unternehmen kennen.» Das Ratspräsidium sei nun an der Arbeit. «Sollte es dennoch nötig bleiben, werden wir unserer Forderung auf parlamenta­rischem Weg Nachdruck verschaffen.»

Eine Forderung, die bei manchen gar nicht gut ankommt. Wenn es zu «grenzüberschreitenden Anzüglichkeiten gekommen» sei, sollten die Betroffenen Namen nennen, sagt SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (52, SG). «Sollte es gar zu Übergriffen gekommen sein, dann wurden hoffentlich bei der Polizei Anzeigen gemacht», fährt der St. Galler fort. «Aber es kann nicht sein, dass man jetzt so tut, wie wenn das Bundeshaus voll von männlichen Sauhunden sei. Das ist definitiv nicht der Fall.» Er hält grundsätzlich nichts von einer Anlaufstelle und setzt auf die Justiz. Wer übergriffig werde, den schütze auch die parlamentarische Immunität nicht. «Ich verurteile Belästigung scharf», so Büchel. Diese sei aber im Bundeshaus kein derart grosses Problem, wie nun von manchen behauptet werde.

SonntagsBlick hat Buttet gestern Samstag mit den neusten Vorwürfen konfrontiert. Bis Redaktionsschluss gab der Nationalrat aber keine Antwort.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?