Kampagne gegen Aldo Schellenberg
Wer will den Luftwaffenchef abschiessen?

Indiskretionen sollen den 3-Sterne-General aus dem Rennen um den Posten des Armeechefs katapultieren. Ein Protokoll zeigt, dass VBS-Chef Guy Parmelin schon früh über die Probleme bei der Beschaffung eines Luftabwehrsystems Bescheid wusste – aber erst jetzt handelte.
Publiziert: 04.04.2016 um 19:54 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 16:46 Uhr
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VBS-Chef Guy Parmelin wartete zwei Monate, bevor er das Beschaffungsprojekt sistierte.
Foto: Keystone
Peter Röthlisberger, Christof Vuille und Christoph Lenz

Luftwaffenchef Aldo Schellenberg (57) steht unter schwerem Beschuss. Seine Gegner streuen Indiskretionen aus vertraulichen Papieren, sie unterstellen ihm klandestine Beschaffungsentscheide, sie versuchen, ihn gegen den Chef der Armee auszuspielen. Offenbar mit einem Ziel: Seine Wahl als Nachfolger des Armeechefs André Blattmann zu verhindern.

Schellenberg stünde als Dreisterne-General eigentlich in der Pole-Position. Er ist der einzige von drei Korpskommandanten, der nachrücken könnte. Der zweite Korpskommandant ist Dominique Andrey (60), der aber neu zum politischen Berater von VBS-Chef Guy Parmelin aufgerückt ist. Der dritte ist André Blattmann selbst.

Hauptvorwurf an Aldo Schellenberg: Er wolle ein unbrauchbares Boden-Luft-Verteidigungssystem (Bodluv) beschaffen. Das deutsche System Iris-T SL sei nicht allwettertauglich, das britische Camm-ER noch in der Entwicklungsphase.

Weshalb wir das wissen? Das Protokoll der Sitzung vom 19. Januar 2016 unter dem Vorsitz von Aldo Schellenberg im Emmen LU wurde von einem der zwölf Teilnehmer den Medien zugespielt.

In dieser Sitzung wurde mit einer Gegenstimme beschlossen, einen Antrag auf die gestaffelte Beschaffung beider Lenkwaffensysteme (Variante Zwillinge) im Rahmen des Rüstungsprogramms 2017 zu stellen. Der Entscheid über die Typenwahl wäre dann erst im Juli durch den Chef der Armee und den Rüstungschef gefällt worden. Das letzte Wort hätte sowieso das Parlament gehabt. Bundesrat Guy Parmelin hat das Geschäft am 22. März gestoppt, einen Tag, bevor die «Rundschau» von SRF schweres Geschütz gegen Luftwaffenchef Schellenberg aufgefahren hat. Weshalb beschliesst der VBS-Chef die Sistierung erst zwei Monate nach der Januar-Sitzung und leitet erst jetzt eine Untersuchung ein?

Aus dem Sitzungsprotokoll, das BLICK vorliegt, geht hervor, dass Bundesrat Parmelin schon damals über das Geschäft Bescheid wusste. Weshalb er zwei Monate für seinen Entscheid brauchte, will das VBS nicht beantworten. Sprecher Renato Kalbermatten sagt aber: «Ob irgendwelche wichtigen Informationen fehlten, wie in den Medien aufgrund von Indiskretionen spekuliert wird, diese Frage wird im Rahmen der Administrativuntersuchung geklärt werden. Der Chef der Luftwaffe geniesst im Übrigen das volle Vertrauen von Bundesrat Parmelin und Armeechef Blattmann.»

Schellenberg jedenfalls ist in seiner Funktion und in seinen Ambitionen für einen Aufstieg an die Spitze der Armee diskreditiert. Licht in die Angelegenheit zu bringen, ist schwierig. Alle Beteiligten schweigen wegen des Kommunikationsstopps eisern – auch Schellenberg.

Wer aber hat ein Interesse an seinem Abschuss? Der Luftwaffenchef hat während seiner militärischen Karriere einige Feinde gesammelt:

  • Er kam als Quereinsteiger vom Heer zur Luftwaffe. Inzwischen ist er gut akzeptiert. Trotzdem hat jemand aus der Projektgruppe das interne Protokoll vom 19. Januar an die Öffentlichkeit getragen. Die zunehmenden Indiskretionen rund um das Projekt Bodluv ärgern SVP-Sicherheitspolitiker Thomas Hurter ungemein: «Offenbar haben einige noch immer nicht begriffen, dass es nur eine Armee gibt. Ausgerechnet jetzt, wo wir auf politischer Ebene die sichere Finanzierung der Armee praktisch im Trockenen haben, wird dieser Erfolg durch das Gärtchendenken einzelner Exponenten gefährdet.»

  • Die Grauen Adler um Zahnarzt und Fliegerfan Roger Harr bestehen auf den Kauf eines neuen Kampfflugzeugs. Sie befürchten, dass ein Flugabwehrsystem zu viele Mittel bindet. Harr macht aus seiner Abneigung gegen Schellenberg kein Geheimnis.

  • Für die konservative Gruppe Giardino ist Schellenberg einer der Architekten der vor zwei Wochen genehmigten Armeereform WEA. Sprecher Markus M. Müller sagt heute zu BLICK: «Unsere Hauptsorge gilt der schädlichen Weiterentwicklung der Armee. Unser Ziel ist, dass es der Armee wieder besser geht. Die Bodluv-Enthüllungen helfen dabei sicher nicht. Aber besser spät als nie.»

  • VBS-Chef Guy Parmelin umgibt sich bisher vorwiegend mit Romands. Ein französischsprechender Chef der Armee wäre deshalb keine Überraschung, wenn der Bundesrat im Dezember seinen Entscheid fällt.

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