Die Schweiz hatte nie Könige, Bern hat immerhin die Tschäppäts: 2012 wurde Alexander Tschäppät (63) mit 70 Prozent Jastimmen für eine dritte Amtszeit als Stadtpräsident bestätigt. Schon sein Vater Reynold amtierte dort zwölf Jahre lang als sehr beliebter Bürgermeister. Beide, Vater und Sohn, waren auch Gemeinde- und Nationalräte.
Für Tschäppät junior gestaltete sich der Eintritt in die Politik einfach, wie er mir auf der Fahrt von seinem neuen Zuhause auf dem Schönberg zum Amtssitz in der Altstadt, dem Erlacherhof, verrät: «Der Name Tschäppät stand für einen ‹Brand›, eine Marke.» Doch bald wurde der Vergleich mit dem Vater zur Hypothek: «Er hatte dreissig Jahre mehr Lebenserfahrung auf dem Buckel und handelte anders als ich!»
Alex liebt Bern und wird nicht müde, die Vorzüge der «schönsten Stadt der Welt» zu preisen. Sogar dem ehemaligen Galgenhügel, auf dem bis 1817 Verbrecher hingerichtet wurden, kann er Positives abgewinnen: Hier hat er mit seiner Frau Christine Szakacs eine Wohnung gekauft – in einer neuen Überbauung mit Sicht auf die Berner Alpen. Dass er auf der letzten grossen Landreserve der Burgergemeinde Bern ein Luxusappartement im Baurecht erstehen konnte, ist einigen Genossen sauer aufgestossen.
Tschäppät gibt ohne Umschweife zu, ein Genussmensch zu sein. Als ich ihn und seinen Vater jedoch mit den Kennedys vergleiche, winkt er entschieden ab: «Das ist ein zu grosser Vergleich, aber natürlich hat es bei mir und meinem Vater etwas Dynastisches.»
Ja, steht denn schon der nächste Tschäppät in den Startlöchern? «Ich glaube, meine beiden Söhne haben genug von der Aufmerksamkeit. Zur Zeit meines Vaters wurde das Privatleben eines Politikers noch respektiert. Wegen des auffälligen Nachnamens werden sie ständig auf mich angesprochen.» Einer der Söhne ist Elektriker. Auf der Baustelle stellt er sich nur noch mit Vornamen vor.
Man muss sich in der Familie Tschäppät gut abgrenzen können, um als selbständige Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. Alexanders Partnerin Christine kann das gut. Sie gilt als DIE Expertin der Schweizer Dogdance-Szene. Sie erteilt Unterricht in der Kunst, mit Hunden zu tanzen.
Besonders stolz ist Alexander Tschäppät darauf, dass der Bahnhofplatz in seiner Amtszeit überdacht und der Bundesplatz autofrei gemacht wurde. In dessen Wasserspiel können jetzt an schönen Tagen kleine Kinder baden.
Für einen Ausländer sei es undenkbar, dass unmittelbar vor dem Bundeshaus ein Planschplatz liege. Auch, dass man das Wasser der Stadtbrunnen trinken könne, müsse man etwa chinesischen Besuchern erst erklären.
Bern vermarkten, das kann er – und er will es auch in Zukunft! Seit 2011 ist Tschäppät wieder im Nationalrat. Er sieht sich dort vor allem als Vertreter Berns und hofft auf eine Wiederwahl im Herbst, damit er sich noch einige Jahre für seine Stadt einsetzen kann.
Das Stadtpräsidentenamt endet 2016. Anstatt darüber «in Depressionen zu versinken oder einen Makramee-Kurs zu besuchen», möchte er lieber als ewiger Botschafter Berns weitermachen.
Tschäppät sieht noch viel Potenzial in der touristischen Vermarktung seiner Stadt. Vor allem das Einsteinhaus in der Berner Altstadt hat es ihm angetan, wo Albert Einstein in einer Dachmansarde die Relativitätstheorie entwickelte. «Wer möchte nur den Bärengraben oder den Zeitglockenturm sehen, wenn hier in Bern auch Weltgeschichte geschrieben wurde?»
Alexander Tschäppät über Fettnäpfchen: «Solange man authentisch ist und sich entschuldigt, verzeiht das Volk.»
Politisch korrektes Verhalten: «Ich habe zunehmend Mühe damit. Es ist ein erhöhter moralischer Anspruch, dass Politiker besser sein sollen als alle anderen. Wenn das Gesetz es erlaubt, dann soll es auch ein Politiker können. Alles andere ist ‹Gutmenschentum›.»
Die Inschrift auf seinem Grabstein: «Das 11. Gebot: Nimm dich nicht so wichtig!»