Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (54) über den Burkhalter-Rücktritt
«Ich habe Verständnis und Respekt für seinen Entscheid»

Alec von Graffenried versteht den Rücktritt von Didier Burkhalter. Im SonntagsBLICK-Interview sagt der Berner Stadtpräsident, dass er das Gefühl kennt, zu Hause bei der Familie nur noch ein Gast zu sein.
Publiziert: 25.06.2017 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:10 Uhr
Alec von Graffenried kocht montags immer für seine 15-jährige Tochter und den 14-jährigen Sohn.
Foto: Keystone
Interview: Aline Wüst

SonntagsBLICK: Sie verzichteten 2015 auf eine erneute Nationalratskandidatur, weil Sie als Vater zu Hause anwesend sein wollten. Wann merkten Sie, dass Sie das nicht sind?
Alec von Graffenried:
Ich hatte damals die Dreifachbelastung Politik-Beruf-Familie. Irgendwann hatte ich das Gefühl, zu Hause bei meiner Familie nur noch ein Gast zu sein. Das ist mir eingefahren.

Was haben Sie verpasst?
Den Alltag. Es ging nicht um die Höhepunkte wie Ausflüge oder Familienfeste. Es war die Zeit unter der Woche. Das ganz normale Leben, das einfach so dahinplätschert. Das ist die Zeit, in der man sich als Mensch kennenlernt.

Sie waren nicht der Vater, der Sie sein wollten.
Ich wollte, dass meine Kinder das Bild eines Vaters haben, der einkauft und kocht und nicht nur zu Besuch ist. Zudem fand der grösste Teil der Kindererziehung ohne mich statt, weil ich zu oft weg war.

Ihre Politik-Pause war nur kurz. Seit diesem Jahr sind Sie Berner Stadtpräsident. Sind Sie zu Hause noch präsent?
Zurzeit bin ich abends oft weg.

Also nicht.
Doch, als Stadtpräsident kann ich nun öfter auch zwischen den Terminen kurz nach Hause.

Sie haben also immer noch Zeit, den Alltag mit Ihren Kindern zu teilen?
Ja, montags beispielsweise koche ich immer Zmittag. Ein fixer Termin in meiner Agenda.

Was kochen Sie morgen?
Es wird heiss. Salat, dazu vielleicht ein Taboulé.

Für Bundesrat Didier Burkhalters Rücktritt gibt es familiäre Gründe. Können Sie diesen Entscheid nachvollziehen?
Wenn jemand wie Bundesrat Burkhalter acht Jahre lang alles gibt für die Schweiz, hat er das Recht zurückzutreten und zu sagen, dass nun die Familie wieder erste Priorität hat. Ich habe Verständnis und Respekt für seinen Entscheid.

Fehlt vielen Männern schlicht der Mut, beruflich kürzerzutreten?
Ich finde, Männer dürfen dazu stehen, wenn sie an ihre Grenzen kommen. Gerade auch in der Politik. Was Politikern heute zugemutet wird, ist enorm. Schaffen sie es nicht, zuckt man bloss mit der Schulter und sagt: Tja, er hat es nicht gepackt.

Wann würden Sie für Ihre Familie als Stapi zurücktreten?
Ich habe das Amt gerade erst begonnen! Als Stapi bin ich aber sehr exponiert. Das betrifft auch meine Frau und meine Kinder. Falls es für sie mal unzumutbar würde, könnte das zu einem Rücktritt führen.

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