Hausverwalter Urs Eichenberger (73) war geschockt, als er die Tür zur Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung im achten Stock seines Wohnblocks in Bern-Bümpliz öffnete. In den Zimmern standen unzählige Abfall- und Altkleidersäcke, alle vollgestopft mit Pullis, Hosen, Jacken und Schuhen. Sie gehörten Francesca T.* (†59), die im April in der Wohnung gestorben ist.
Die Italienerin lebte von der Sozialhilfe. Diese finanzierte ihr gar eine grössere Wohnung für all die Kleider, wie BLICK heute berichtet. Die Behörden ahnten nichts von der Kaufsucht ihrer Klientin.
Fall sorgt für rote Köpfe
Der Fall bestätigt bürgerliche Sozialhilfe-Kritiker wie Erich Hess (37). Für den Berner Stadtrat und SVP-Nationalrat ist klar: «Wir müssen zwingend genauer hinschauen und viel härter eingreifen.» Das gesamte Sozialsystem müsse dringend überdacht werden. «Wie kann es möglich sein, dass eine Sozialhilfe-Empfängerin für 100'000 Franken einkaufen kann? Da stimmt etwas nicht.»
In der SVP brütet man derzeit an einem konkreten Vorschlag zum Umbau des Sozialhilfe-Systems. Eine Arbeitsgruppe um alt Nationalrat und «Schweizerzeit»-Verleger Ulrich Schlüer will die Leistungen massiv kürzen – besonders für Junge und Ausländer, wie der «Tages-Anzeiger» heute berichtet. Denn die Sozialhilfe soll, gehts nach den SVP-Hardlinern, künftig abhängig von den bisher gezahlten Steuern und AHV-Abgaben sein. Zudem will die Arbeitsgruppe mehr Handlungsfreiheit für die Gemeinden.
«Dieser Ansatz ist völlig richtig», findet Hess. «Es kann nicht sein, dass Menschen, die Sozialhilfe beziehen, unter dem Strich mehr im Portemonnaie haben als solche, die arbeiten.»
«Solche Fälle schaden dem System»
Auch Bernhard Eicher (35), Fraktionschef der Stadtberner FDP, ärgert sich über den Fall von Francesca T. (†59). «Genau solche Fälle sind es, die letzten Endes das gute System der Sozialhilfe in Frage stellen und ihm damit schaden.» Die Idee der Sozialhilfe sei es, Menschen zu helfen, den Alltag zu bestreiten. «Dann ist es störend, wenn jemand mit dem Geld Dinge kauft, die er gar nicht braucht», findet er.
Aus Sicht Eichers müssen die Mitarbeiter des Sozialamts stärker sensibilisiert werden. Es brauche Schulungen, in denen sie lernten, wie «problematische Fälle» besser erkannt werden können. Zudem braucht es laut Eicher eine verstärkte Überwachung: «Wir müssen mehr in Sozialdetektive investieren.»
* Name geändert