Bern wollte in Kinderporno-Fall nicht ermitteln
Behörden-Hickhack sorgt für Kritik

Weil sich die Behörden nicht einig wurden über die Zuständigkeit, ist ein Fall von Kinderpornografie monatelang verschleppt worden. Opferhilfe- und Kinderschutz-Organisationen sind empört.
Publiziert: 14.01.2019 um 19:21 Uhr
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Aktualisiert: 20.02.2019 um 16:12 Uhr
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Regula Schwager von der Beratungsstelle Castagna findet es unverständlich, dass die Behörden nicht eher handelten.
Foto: zvg
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Es war ein monatelanges Hin und Her. Statt zu ermitteln, stritten sich die Behörden ein knappes Dreivierteljahr um die Zuständigkeit in einem Kinderporno-Fall. Es geht um einen Angestellten des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), stationiert in Italien, der verdächtigt wird, Bilder mit Nacktaufnahmen und sexuellen Handlungen mit Kindern über einen Server des Bundesamts für Informatik und Telekommunikation hochgeladen zu haben. 

Es war das Bundesstrafgericht, das schliesslich ein Machtwort sprechen musste. In seinem Urteil, das heute veröffentlicht wurde, erklärt es den Kanton Bern für zuständig. Doch dort geht der Knatsch um die Kompetenzen weiter. Ein Verfahren wurde bis heute – über acht Monate nach Eingang der Meldung – nicht eingeleitet.

Verzögerung für Opferberatungsstelle «unverständlich»

Bei Kinderschutz- und Opferberatungsstellen sorgt der Fall für Konsternation. Natürlich brauche es manchmal seine Zeit, bis genügend Beweismittel vorhanden sind, um ein Verfahren einzuleiten, sagt Regula Schwager, Psychotherapeutin bei der Zürcher Beratungsstelle Castagna, die unter anderem sexuell ausgebeutete Kinder und Jugendliche betreut. «In diesem Fall scheinen die Beweise jedoch in Form von Bildern vorhanden zu sein. So scheint es uns unverständlich, weshalb nicht schnell eingegriffen wurde, auch um potenzielle weitere Opfer zu verhindern.»

Auch für die Kinder, die bereits zu Opfern geworden sind, sei zudem wichtig, dass «zeitnah reagiert und gehandelt» werde. «Das Kind braucht die klare und deutliche Bewertung des Horrors, den es erlebt hat, als strafbare und schwere Tat. So bekommt es die Bestätigung seiner Wahrnehmung und erlebt, dass seine Erlebnisse ernst genommen werden.» 

Bund müsse besser koordinieren

Kritik an der Verzögerung äussert auch die Stiftung Kinderschutz Schweiz. Es sei wichtig, das pornografische Material sofort zu sperren und zu löschen, um den Bildermarkt auszutrocknen und weitere Taten zu verhindern, sagt Sprecherin Tamara Parham zum «Tages-Anzeiger». 

Auf Nachfrage von BLICK wird Kinderschutz-Geschäftsführerin Xenia Schlegel noch deutlicher. Die Schweiz tue zu wenig, um Kinderpornografie zu bekämpfen. Insbesondere nehme der Bund seine Koordinationsfunktion zu wenig wahr. Schlegel erinnert daran, dass die Schweiz deswegen bereits vom Uno-Kinderrechtssausschuss gerügt worden ist.

Handlungsbedarf sieht auch BDP-Nationalrat Bernhard Guhl. Er hat sich bereits vor Jahren für eine bessere Koordination bei der Bekämpfung von Kinderpornografie eingesetzt – allerdings ohne Erfolg. Guhl stimmt der Stiftung Kinderschutz zu: Kinderpornografisches Material müsse sofort gelöscht werden – einerseits, um zu verhindern, dass damit weiter Geld gemacht werde, andererseits aber auch der Opfer wegen. «Sie leiden schon genug unter dem Missbrauch», sagt Guhl. Die Bilder davon dann auch noch lange im Netz zu belassen, gehe nicht an.

«Föderale Strukturen sind einfach zu langsam»

Guhl stellt zudem fest: «Bei Straftaten in der digitalen Welt wie der Internetpornografie sind unsere föderalen Strukturen einfach zu langsam.» Es könne nicht sein, dass jeder Kanton in unterschiedlichem Tempo separat Know-how aufbauen müsse. Zudem müsse auch die internationale Zusammenarbeit schneller und effizienter werden.

Dass etwas gehen muss, ist für Guhl klar – wie eine Lösung allerdings genau aussehen soll, noch nicht. Eine Möglichkeit sei, ein nationales Kompetenzzentrum für Cyberkriminalität zu schaffen, sagt der BDP-Politiker. Denn angesichts der zunehmenden Digitalisierung kämen auf die Behörden in Zukunft noch viel mehr solche Fälle zu.

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