Hätte seine Mutter länger gelebt, «wäre ich wohl nicht Politiker geworden». Benjamin Giezendanner (36) sagt es mit kräftiger Stimme. Der vom Vater geerbte Duktus ist nicht zu überhören. Wie meint er das genau? Der Sohn von SVP-Unternehmer und Nationalrat-Urgestein Ulrich Giezendanner (64) verlor 15-jährig das Mami an Krebs. Er wuchs mit der Grossmutter als engster Bezugsperson auf. «Sie sorgte für uns, bis ich militärdiensttauglich war. Bei uns waren schon immer die Frauen die wahren Starken», sagt er. «Mein Vater hatte gar nicht die Möglichkeit, Papi zu sein. Er kümmerte sich ums Geschäft.»
Aber inwiefern hat der Schicksalsschlag den Mann zur Politik gebracht? «Es waren harte Jahre in meiner Jugend», sagt der jüngste Giezendanner-Spross. «Aber dadurch habe ich früh kämpfen gelernt. Mutters Tod hat mich also auch stark gemacht.»
«Der Name Giezendanner hat mir früher sehr geholfen»
Kurz nach dem Bruch in seinem Leben fasste der Aargauer den Entschluss, in die politischen Fussstapfen seines Vaters zu treten. Und schon mit 18, damals KV-Lehrling bei UBS, schaffte Benjamin Giezendanner den Sprung in den Grossen Rat des Rüeblikantons. «Ich gebe unumwunden zu: Damals hat mir der Name Giezendanner sehr geholfen. Ich glaube nicht, dass ich ohne ihn so schnell gewählt worden wäre.»
Seither profilierte sich Fuhrhalter Benjamin Giezendanner als liberaler Rechtspolitiker. 2017 wurde er mit einem Glanzresultat zum höchsten Aargauer gewählt. Giezi junior, wie er von den politischen Weggefährten seines Vaters genannt wird, sieht sich gern als Patron-Politiker. «Unsere Mitarbeiter sind die Büezer, für die ich Politik mache. Ich weiss, welche Sorgen Fliessbandmitarbeiter oder Lastwagenchauffeure haben.»
Und diese Mitarbeiter führt er seit neustem allein. Sein Bruder Stefan hat die Firma verlassen, weil es zu Spannungen kam, berichtete der SonntagsBlick. «Wir werden halt mal laut, so sind wir Giezendanners. Aber wir vertragen uns auch wieder.»
In Asyl-, EU- und Ausländerfragen politisiert Giezendanner junior auf der Linie von SVP-Übervater Christoph Blocher (77). Sein Kampf gegen einen EU-Anschluss hätte ihn früh «sehr fasziniert». 2001 führte Christoph Blocher den Abstimmungskampf gegen die Volksinitiative «Ja zu Europa». Sie verlangte die unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen über einen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union.
«Blocher hat mir unheimlich imponiert»
«Blocher wusste, dass es ihm als Unternehmer schaden könnte, wenn die Schweiz sich von der EU weiter abgrenzt. Er dachte aber grösser. Das hat mir unheimlich imponiert als jungem Mann, der ich war», erinnert sich Benjamin Giezendanner.
Und heute? Giezendanners Weg nach Bern scheint vordergründig schon geebnet. Er hat sich bei der SVP-Findungskommission beworben. Im November werden die Listenplätze der SVP Aargau vergeben. «Ich glaube, dass mein Nachname jetzt eher Bürde als Segen ist», sagt er. «Es gibt Vorurteile, ich würde es einfacher haben auf dem Weg nach Bern. Aber das stimmt schlicht nicht.»
Als Nationalrat wüsste Benjamin Giezendanner, was er tun will: «Ich fürchte unter anderem, dass Teile der Bevölkerung, die immer gearbeitet haben, im Alter zu wenig zum Leben haben.» Darum wolle er nach Bern, «um die bestehende Altersvorsorge zu sichern und nicht noch weitere staatliche Verpflichtungen zu schaffen». Giezendanner meint damit beispielsweise den Vaterschaftsurlaub. Der könne «irgendeinmal nicht mehr finanziert werden». «Zuerst kommen unsere Rentnerinnen und Rentner!»
Wie ist seine Haltung zum AHV-Steuervorlage17-Päckli? Der politische Kompromiss zwischen links und rechts spaltet die SVP-Fraktion in Bern. Magdalena Martullo-Blocher (48) hat sich demonstrativ hinter den Kuhhandel aus dem Ständerat gestellt, Fraktionschef Thomas Aeschi bekämpft ihn.
«Das Mischwerk aus zwei unterschiedlichsten Vorlagen verletzt die Einheit der Materie, und das Parlament unterschätzt die Urteilskraft des Volkes», antwortet Giezendanner. Er ist überzeugt, dass die Vorlage erneut scheitern wird. «Momentan bin ich also weder auf Blocher- noch auf Aeschi-Linie.»
Und auch die Steuervorlage 17 sieht er «sehr kritisch». «Ich werde diese Mogelpackung je nach Ausgang der Beratungen voraussichtlich bekämpfen.»
Spricht man mit ihm über seine sozialpolitischen Überzeugungen, etwa seine ambivalente Haltung zur Erhöhung der Ergänzungsleistungen, lenkt Benjamin Giezendanner das Gespräch schnell auf das Asylthema. «Die Menschen, die gearbeitet haben, sollten existenzsichernde Renten haben. Wenn ein Arbeiter mit 4500 Franken Monatslohn einen Unfall hat und lange ausfällt, wird es finanziell sehr schwierig für ihn. Aber solange wir so viel Geld für Asylbewerber ausgeben, fehlt es uns in den Sozialwerken.»
Für die Familie würde er die Politik verlassen
Benjamin Giezendanner und seine Frau Jasmine sind vor drei Monaten zum zweiten Mal Eltern geworden. «Meine zwei Mädchen sind das Zentrum meines Universums», sagt er. Seine Frau kümmert sich um die Familie, er führt zu 100 Prozent die Firma. Als Sophia zur Welt kam, nahm er sich zwei Wochen Papiferien. «Aber der bezahlte Vaterschaftsurlaub ist reiner Luxus, auf Kosten des Staates. Das können wir uns nicht leisten», ist er überzeugt.
Dass er als Vater mithelfe bei der Erziehung, «ist doch selbstverständlich», betont er. «Die Gesellschaft hat sich gewandelt, und das ist gut so.» Wie fühlt er sich denn im traditionellen Familienmodell, das die SVP propagiert, aufgehoben? «Die SVP ist keine rückständige Partei, die die Frau zu Hause am Herd stehen sieht», sagt er. «Aber man muss die naturgegebenen Geschlechtsunterschiede sehen. Babys brauchen in den ersten Monaten die Mutter mehr als den Vater.»
Doch eines ist Benjamin heilig. Der Samstag gehöre den Kindern. «Und ich habe ihnen und Jasmine versprochen: Ich höre sofort mit der Politik auf, wenn ihr es verlangt.» Am liebsten würde er 80 Prozent arbeiten. «Aber als Chef ist das nicht möglich. Ab einer gewissen Karrierestufe muss einer der Partner seine Karriere hinten anstellen.»
Von der Wirtschaft aber verlangt Giezendanner junior, dass Eltern Teilzeit arbeiten können. «Die Wirtschaft und nicht der Staat muss Modelle finden, die dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen. Dass mein Vater uns nicht erzogen hat, war damals normal. Heutige Männer wollen aber auch daheim mitreden und vor allem Zeit dafür haben.»