Er strampelt und strampelt. Als BLICK Benedikt Würth (50) für diesen Text kontaktiert, sitzt er auf dem Sattel seines Rennvelos. «Bin eben auf den Mont Ventoux gefahren», schreibt er und kündigt an: «Ich rufe sofort nach der Abfahrt zurück.»
Während in der Schweiz über eine Bundesratskandidatur des St. Galler CVP-Finanzdirektors spekuliert wird, macht dieser Ferien in der Provence. «Hier bespreche ich eine Kandidatur mit meiner Familie und mache eine Analyse der Situation», sagt Würth.
Ein Lebenslauf wie eine Bundesrats-Blaupause
Er wählt seine Worte mit Bedacht. Und betont mehrmals: «Ich muss nicht unbedingt Bundesrat werden, da bin ich wirklich nicht vom Ehrgeiz umzingelt.» Würth weiss: Wer in der Schweiz zu früh sagt, dass er Bundesrat werden will, ist den Wählern – den National- und Ständeräten – suspekt. Drum sagt er lieber: «Ich überlege es mir.»
Dabei liest sich der Lebenslauf des Vaters zweier Teenager wie eine Bundesrats-Blaupause. Klein Benedikt wurde in ein Siebner-Gremium hineingeboren: Er ist das Jüngste von sieben Kindern. Vater Würth war 33 Jahre CVP-Gemeindepräsident von Mörschwil SG, eine autoritäre Saftwurzel, im Dorf von allen «Kaiser Franz» genannt.
«Mein Vater ist nicht mein politisches Vorbild», sagt Würth. «Heute kannst du nicht mehr so autoritär Politik machen.» «Kaiser Franz» sehe das heute auch so. Vererbt hat er seinem Sohn jedoch das Festzelttaugliche. Jährlich beweist dieser es als sogenannter «Geissesänger» an der Rapperswiler Fasnacht.
«Mein Vater ist nicht mein politisches Vorbild»
Es gebe wenige Schweizer, die ihre Karriere derart penibel geplant hätten wie «der Beni», sagen Weggefährten. Ein Schulfreund erinnert sich, wie Würth «schon bei Dorffest-Exzessen darauf achtete, dass er nichts anstellt, was ihm irgendwann seine weisse Weste bekleckern könnte». CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister (56) lobt Würth indes als «herausragenden Exekutivpolitiker mit sehr guter Dossierkenntnis».
Tatsächlich: HSG-Studium mit Nachdiplom in internationalem und europäischem Wirtschaftsrecht, Partei- und Fraktionssekretär, Bezirksparteipräsident, persönlicher Mitarbeiter des Finanzdirektors, Vizepräsident der Kantonalpartei, Gemeindepräsident, Kantonsrat, Stadtpräsident, Präsident der Ostschweizer Regierungskonferenz. Seit anderthalb Jahren ist er Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen – und somit gut vernetzt unter der Bundeshauskuppel.
Doch reicht das in Bern? «Wir wissen ja, dass Bundesparlamentarier lieber ihresgleichen in den Bundesrat wählen», sagt Benedikt Würth. «Als Regierungsrat hat man weniger Chancen.»
Die Ratslinke könnte ihn zum Bundesrat machen
Würth positioniert sich in aktuellen Geschäften links. So sagt er zu BLICK: «Der Bundesrat ist mit der Lockerung der Waffenexporte zu weit gegangen. Gut, hat das Parlament diesen Fehler korrigiert. Schweizer Waffen haben nichts in Bürgerkriegsländer zu suchen.»
Ausserdem begrüsst er eine Frauenquote für börsenkotierte Unternehmen, die Vaterschaftsurlaubs-Initiative lehnt er ab, spricht sich aber für den Gegenvorschlag aus. «Zwei Wochen Papiferien sind vertretbar.»
Damit könnte er für die Linke im Parlament attraktiv sein – die zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte: Nicht nur bekäme man einen eher linken CVP-Bundesrat. Dieser würde auch noch die rechtsbürgerliche Kronfavoritin Karin Keller-Sutter (54) verhindern. Denn der CVP-Sitz wird am 5. Dezember zuerst besetzt – und zwei St. Galler wären in Bern wohl zu viel. Keller-Sutters Chancen würden dramatisch sinken.
Der doppelte Ladykiller
Würth wiederum würde so zum doppelten Ladykiller: Neben Keller-Sutter hätte seine Parteikollegin Viola Amherd (56) das Nachsehen.
«Ich glaube nicht, dass ich Karin Keller-Sutter gefährlich werden könnte, sie hat so viel Rückenwind», sagt Würth selbst. Und ausserdem: «Wir hatten schon zwei Berner und zwei Zürcher im Bundesrat. Also verträgt es auch zwei St. Galler.» Er wünsche sich, dass Keller-Sutter kandidiere. Und fordert: «Die FDP sollte ein reines Frauenticket bringen.»
Bis am 25. Oktober hat Würth Zeit, sich bei der CVP-Bundeshausfraktion zu bewerben. Bis dann strampelt er weiter und sagt: «Es braucht weniger Parteisoldaten im Bundesrat. Ich wäre sicher keiner, der morgens aufsteht und dann denkt, was will heute die CVP von mir.»