Bechern im Bundeshaus
Politiker trinken aus Langeweile

Politiker trinken gerne ein Gläschen. Auch mal eines zu viel. Ein Grund sind die vielen Apéros. Aber nicht nur: Mit Bier und Wein wird auch Zeit totgeschlagen.
Publiziert: 27.11.2019 um 23:17 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2019 um 15:04 Uhr
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Am Montagnachmittag beginnt die Wintersession. Zahlreiche Apéros locken die Parlamentarier.
Foto: Keystone

Wer meint, Politik sei eine trockene Angelegenheit, irrt gewaltig. Alkohol gehört zum Parlamentarier-Dasein wie gebügelte Hemden und geschliffene Reden. Das zeigt sich jeweils während der dreiwöchigen Sessionen. An unzähligen Apéros wird nicht nur das Netzwerk gepflegt – sondern auch das eine oder andere Gläschen geleert.

Und das nicht nur beim geselligen Beisammensein nach Feierabend. Auch im Bundeshaus fliesst der Alkohol. «Die Sessionen der beiden Räte sind manchmal wie ein WK. Wie im Militär gibt es auch während des Ratsbetriebs tote Zeit, die überbrückt werden muss, wenn inhaltsleere Reden geschwungen werden», sagt der abtretende BDP-Nationalrat Hans Grunder (63).

Es gibt Politiker, die ein Alkoholproblem haben

«Wartende Parlamentarier genehmigen sich bisweilen aus reiner Langeweile mal ein Gläschen», meint auch SVP-Nationalrat Christian Imark (37). Es gebe sicher solche, die es übertreiben, gar ein Alkoholproblem hätten. Das sei jedoch eine Minderheit.

Ein Politiker, der den Alkoholkonsum nicht mehr im Griff hatte, war Yannick Buttet (42). Der Walliser wurde wegen einer Stalking-Affäre verurteilt, und sechs weitere Frauen beschuldigten ihn der sexuellen Belästigung. Ende 2017 trat der Walliser als Nationalrat zurück – und begab sich in Therapie.

«Das neue Parlament wird nüchterner»

Dieser und weitere Vorfälle wie etwa die Blaufahrt von SVP-Nationalrat Alfred Heer hätten zu einer «Sensibilisierung und einem gewissen Sinneswandel unter der Bundeshauskuppel» geführt, sagt Philipp Hadorn, Solothurner SP-Nationalrat und Präsident des Blauen Kreuzes, der Fachorganisation für Alkohol- und Suchtfragen. «Die Politiker sind sich heute bewusster, dass sie im Schaufenster stehen, das Hirn einschalten müssen und auch mal auf Alkohol verzichten», so der abgewählte Parlamentarier.

Aufgrund des neuen Parlaments mit mehr Jüngeren und mehr Frauen geht Hadorn davon aus, dass künftig auch weniger Alkohol fliesst. «Der achtsamere Umgang mit der Gesundheit liegt bei der jüngeren Generation im Trend. Das neue Parlament wird nüchterner.»

Gebechert wird im und rund ums Bundeshaus aber weiter. «Das Parlament ist ein Spiegel der Gesellschaft. Daher gibt es sicher auch Probleme mit übermässigem Alkoholkonsum», so Hadorn. Vor allem gebe es für Politiker an vielen Anlässen und Apéros mehr Gelegenheit dazu. «Der Alkoholkonsum ist hier in der Tendenz wohl tatsächlich höher als im Bevölkerungsschnitt.» (red.)

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