Das Jagdrevier Schleitheim II. 1000 Hektaren Hügel, Wälder, Felder und Wiesen. Dichter Nebel hängt in den Bäumen. Glitzernder Raufreif verwandelt alles in eine märchenhafte Winterlandschaft.
BDP-Chef Martin Landolt (50) ist seit vier Uhr morgens unterwegs. Auf einem Hochsitz harrt er aus, beobachtet die Waldränder und das Gelände, ob sich etwas bewegt. Rehe vielleicht? Wildschweine? Landolt ist auf der Jagd.
Das Thermometer zeigt ein paar Grad unter null. Auch später noch, als er uns Journalisten beim Alp-Restaurant Babental abholt. «Letzte Woche konnte ich hier ein Reh erlegen», erzählt er etwas durchgefroren. «Heute allerdings noch nichts.» Als wir mit ihm zurück zum Hochsitz fahren, laufen uns fünf Rehe über den Weg. Kurz beäugen sie den herannahenden Wagen, bevor sie im Dickicht verschwinden.
BLICK: Herr Landolt, was bedeutet Ihnen die Jagd?
Martin Landolt: Für mich ist die Jagd eine grosse Leidenschaft, die ich von meinem Vater geerbt habe. Sie ist für mich aber auch eine wertvolle Gelegenheit, um mal für ein paar Stunden oder auch Tage abzutauchen und abzuschalten. Man sitzt stundenlang hier, schweigt, wartet, beobachtet, lässt sie Seele baumeln.
Und entwirft in Gedanken das nächste Parteiprogramm?
Nein, gar nicht. Hier bin ich weit entfernt vom politischen Tagesgeschäft. Hier widme ich meine Aufmerksamkeit und Konzentration vollständig der Natur. Da ist gar nicht gross Platz für andere Gedanken. Hier bin ich nicht Parteipräsident, sondern einfach Jäger.
Was verbindet den Jäger Landolt aber mit dem BDP-Chef Landolt?
Beide brauchen Geduld. Man muss immer aufmerksam bleiben und warten können, bis es passt, um im richtigen Moment zu handeln. Beide müssen für ihr Handeln Verantwortung übernehmen. Und: Respekt vor Mensch und Natur.
Zwei Rehe und ein Wildschwein sind seine bisherige Jagdbilanz im Schaffhauser Jagdrevier, welches der Glarner mit ein paar Kollegen gepachtet hat. Hier darf er praktisch das ganze Jahr über jagen. Doch auch in seinem Heimatkanton und anderen Kantonen ist er immer wieder unterwegs. «Ich bin so während 20 Tagen im Jahr auf der Jagd», so Landolt. «Dabei erlege ich insgesamt acht bis zwölf Tiere.»
Eine Zahl, die er sich auch mit Blick auf die nationalen Wahlen 2019 wünschen dürfte – in Form von Parlamentsmandaten. 2015 musste die BDP zwei Sitzverluste hinnehmen und zählt derzeit noch sieben Nationalräte und einen Ständerat. Obwohl die BDP seither in den Kantonen gut einen Fünftel ihrer Parlamentsmandate verloren hat, zeigt sich Landolt zuversichtlich.
Mit welchem Gefühl starten Sie ins Wahljahr 2019?
Mit einer gewissen Vorfreude. Ich bin fast ein bisschen giggerig. Ich wills wirklich wissen! Und ich bin optimistisch, dass wir uns behaupten werden.
Die Umfragen verheissen der BDP für 2019 allerdings nichts Gutes.
Die BDP hat zehn verrückte Jahre mit einem Auf und Ab hinter sich. Wir haben die Entwicklung unserer Partei aber genau analysiert, daher blicke ich nun mit einer gewissen Gelassenheit aufs Wahljahr.
Weshalb denn?
Bei unseren ersten Wahlen hatten wir national und kantonal jeweils überdurchschnittlichen Erfolg, bei den zweiten Wahlen jeweils eine Gegenbewegung mit Verlusten. In den Kantonen sehen wir nun im dritten Durchgang jeweils eine Konsolidierung – dasselbe erwarte ich nun auch im Herbst auf nationaler Ebene.
Dann sind Sie bereits zufrieden, wenn Sie die Vier-Prozent-Hürde schaffen?
Mit Prozentzahlen lässt sich nichts kaufen, die sind für mich nicht entscheidend. Ich werde die Sitze zählen. Wir wollen und werden unsere acht Mandate im National- und Ständerat verteidigen.
Fehlt Ihnen etwa der Ehrgeiz auf mehr?
Nein, aber die Sitzzahl zu halten ist derzeit ein vernünftiges und realistisches Ziel. Wir haben den Boden erreicht. Auf diesem Fundament wollen wir uns Schritt um Schritt nach vorne kämpfen. Langfristig wollen wir das Niveau sicher steigern.
2019 wird für die BDP zum Schicksalsjahr ...
Nein!
Doch, wenn Sie weiter verlieren und gar die Fraktionsstärke verlieren – kehren Sie dann in die Arme der SVP zurück?
Erstens: Wir werden nicht verlieren. Wir werden auch dieses Jahr bestehen, unsere Sitze verteidigen und weiterleben. Zweitens: Wir werden dank Listenverbindungen mit CVP, GLP und EVP die Mitte insgesamt wieder stärken. Und drittens: Eine Rückkehr in die Arme der SVP ist bestimmt das Letzte, das uns je passieren wird.
Landolt gibt sich kämpferisch – was von einem Parteipräsidenten nicht anders zu erwarten ist. Für einen Wahlkampf aber braucht es Themen, mit denen man die Wähler abholen kann. Oben auf dem Hochsitz – Hände und Füsse sind mittlerweile mehr als klamm – erzählt der BDP-Chef, dass er auf «progressive Themen» setzen will.
Potenzial sieht er etwa in der Klimapolitik, «nachdem das CO2-Gesetz im Nationalrat von FDP und SVP völlig verwässert wurde». Sogar eine Volksinitiative «für eine saubere Mobilität» steht dabei zur Debatte. Weiter möchte Landolt die Idee für eine automatische Verknüpfung des Rentenalters mit der Lebenserwartung wieder aufs Tapet bringen. «Man sollte diese Frage dem Stimmvolk separat vorlegen. Ich bin überzeugt, dass sich so die Notwendigkeit einer Anpassung aufzeigen lässt.»
Bereits einen Pflock eingeschlagen hat er zudem bei der Waffenexport-Thematik, bei der er mit einem Vorstoss die Entmachtung des Bundesrats fordert und bei der jüngst lancierten Korrektur-Initiative im Initiativkomitee sitzt.
Bei der Waffenexport-Frage sitzen Sie mit der Linken bis hin zur GSoA in einem Boot. Ist Ihnen nicht unwohl dabei?
Ganz und gar nicht. Es ist nämlich umgekehrt: Die Linke hat sich zu uns in die Mitte gesetzt! Wir wehren uns gegen eine Lockerung der Waffenexporte, wollen aber kein Totalverbot. Das gehört zu unserer progressiven, sozialliberalen DNA.
Und was bedeutet dieses DNA mit Blick auf das EU-Rahmenabkommen?
Wir wissen endlich, wie es aussieht. Es ist ein wichtiges Abkommen für die Schweiz. Deshalb beantragen wir unserer Delegiertenversammlung vom 12. Januar 2019 eine Resolution, in der sich die BDP ausdrücklich zur Weiterentwicklung des bilateralen Wegs bekennt. Das bedeutet auch ein Bekenntnis zum jetzt vorliegenden Abkommen.
Trotz der Abstriche beim Lohnschutz?
Nüchtern betrachtet bleibt der Lohnschutz doch auch weiterhin gewährleistet. Die EU hat beim Lohnschutz selber Fortschritte gemacht und liegt nun auf einem guten Niveau. Unterschiedliche Anmeldefristen oder -modalitäten dürfen doch nicht mit dem Verlust von Lohnschutz gleichgestellt werden.
Gut zwei Stunden sind wir mit Landolt bereits unterwegs. Die Kälte hat langsam den ganzen Körper im Griff. Rehe oder Wildschweine haben sich wohlweislich nicht mehr blicken lassen. Bevor es zurück ins Babental zum Aufwärmen und Mittagessen geht, wollen wir von Landolt wissen, wie es um das Polit-Interesse seiner drei Töchter Nina (22), Sara (20) und Vera (17) steht.
Die jüngste Ihrer drei Töchter hat kürzlich zusammen mit Ihnen das zehnjährige BDP-Jubiläum moderiert. Ist das der Beginn der Politdynastie Landolt?
Politdynastien in der Schweiz sind so eine Sache ... (lacht).
Würden Sie Ihren drei Töchtern überhaupt den Einstieg in die Politik empfehlen?
Ja, wir diskutieren immer öfter über Politik, und ich versuche ihr Interesse dafür zu wecken. Nicht einfach für Parteipolitik, sondern für das aktive Engagement im Milizsystem, zum Beispiel in Vereinen. Meine älteste Tochter hat sich bereits öffentlich an der Landsgemeinde gegen ein Burkaverbot oder im Abstimmungskampf gegen die Selbstbestimmungsinitiative engagiert. Völlig unabhängig von mir. Das freut mich sehr.
Sie selber geben den Posten als Parteipräsident 2020 ab. Wann machen Sie als Bundesparlamentarier Schluss?
Ich möchte gerne noch ein paar Jahre im Nationalrat bleiben – und dabei den Status als Ex-Präsident geniessen (lacht).
Keine zehn Monate mehr, dann wird abgerechnet: Am 20. Oktober 2019 finden Wahlen statt, werden National- und Ständerat neu bestellt. Vor allem für die Parteispitzen sind Wahljahre intensiv. Kaum je steht sonst die Politik so sehr im Schaufenster, selten wird mit härteren Bandagen gekämpft.
Die Zeit «zwischen den Jahren» ist für Albert Rösti (51), Petra Gössi (42) und Co. die letzte Atempause vor den harten Monaten. BLICK wollte wissen: Wie verbringen die Parteichefs diese ruhige Zeit? Wo tanken sie auf? Sind sie fit für den Wahlkampf? Also haben wir sieben Parteipräsidenten begleitet – auf der Skipiste, beim Spazieren, mit dem Bike. Den Anfang machte SP-Chef Christian Levrat (48), gefolgt von CVP-Chef Gerhard Pfister (56). Am Samstag folgt BDP-Präsident Martin Landolt (50).
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