Wird die St. Gallerin Karin Keller-Sutter (54) Bundesrätin, weil die Ostschweiz schon lange keinen Bundesrat mehr stellte? Gehört vielleicht doch der Nidwalder Hans Wicki (54) oder der Schaffhauser Christian Amsler (54) gewählt, weil ihre beiden Kantone noch nie in der Landesregierung vertreten waren? Oder passt bei der CVP etwa die Walliserin Viola Amherd (56) nicht aufs Ticket, weil ihr Kanton mit Pascal Couchepin (76) unlängst einen Magistraten stellte?
Das Prozedere wiederholt sich bei jeder Bundesratswahl aufs Neue: Der regionale Anspruch wird gerne als Argument in die Wahlschlacht geworfen. Derzeit in der Ostschweiz ebenso wie in der Innerschweiz.
Im Parlament verhallt dieser Ruf aber nicht selten ungehört: So gab die Bundesversammlung 2015 dem Waadtländer Guy Parmelin (59) den Vorzug statt dem Innerschweizer Thomas Aeschi (39) oder dem Tessiner Norman Gobbi (41). Und so war die Romandie damals mit gleich drei Vertretern deutlich überrepräsentiert. Obwohl die Bundesverfassung verlangt, «darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind».
BDP-Hess: «Taktischer Regionen-Poker»
Der Berner BDP-Nationalrat Lorenz Hess (57) nervt sich über den «taktischen Regionen-Poker» bei der Bundesratswahl. «Es gibt x Kriterien, die echt wichtig sind, aber sicher nicht der Wohnort!», sagt er zu BLICK. «Keiner Unternehmung käme es in den Sinn, bei der Suche nach einem Direktionsmitglied solches in das Job-Profil zu schreiben, auch wenn die Firme schweizweit tätig ist.»
Entscheidend müsse die Qualität der Kandidierenden sein, so Hess. Der jetzige Verfassungsartikel führe die Auswahl stattdessen auf einen «unnötigen Nebenkriegsschauplatz». Unnötig auch deshalb, weil die Vorgabe in der Realität meist eine Farce sei, wie Hess mit Blick auf die aktuelle Berner und frühere Zürcher Doppelvertretung im Bundesrat meint.
«Alten Zopf abschneiden»
«Wenn schon Regeln, die nichts mit den Fähigkeiten der Person zu tun haben, hätte man gescheiter die Kantonsregelung belassen. Die ist wenigstens klar abgrenzbar im Gegensatz zum schwammigen Regionen-Begriff», meint der BDP-Mann. Tatsächlich galt bis 1999, dass aus einem Kanton maximal eine Person im Bundesrat sitzen darf.
Hess reicht in der Wintersession deshalb einen Vorstoss ein, in welchem er anregt, den «alten Zopf» abzuschneiden. Oder zumindest neu zu formulieren. «Anstelle der Sprachregionen und Landesgegenden müsste man wenn schon eine konsequente Sprachklausel festschreiben. Nämlich, dass ein Bundesratskandidat mindestens eine zweite Landessprache gut beherrschen muss!»
Bundesratshistoriker für Kantonsklausel
Bundesratshistoriker Urs Altermatt (76) spricht sich gegen zu viele Regulierungen aus. «Die Klage, die eigene Region sei untervertreten, hört man seit 1848 immer wieder», berichtet er. Im Parlament werde sie aber pragmatisch gehandhabt. «Wenn es passt, führt man den regionalen Anspruch gerne als zusätzliches Argument für einen Anwärter ins Feld. Wenn nicht, wird die jeweilige Region auf die nächste Vakanz vertröstet.»
Für die kleine und vielfältige Schweiz habe die Vorgabe vor allem symbolischen Wert. Dass mit der absehbaren Wahl der St. Galler Ständeratspräsidentin Karin Keller-Sutter (54) die Ostschweiz wieder zu einem Sitz komme, sei zwar positiv. «Aber seien wir ehrlich», schmunzelt der Solothurner Altermatt: «Eine qualifizierte Frau wie Karin Keller-Sutter würde am 5. Dezember auch gewählt, wenn sie Solothurnerin wäre.»
Persönlich plädiert Altermatt für eine Rückkehr zur Kantonsklausel: «Die damalige Regelung war klug und weise, da sich die Regierungsmacht tatsächlich weniger auf die grossen Zentren Bern und Zürich konzentrierte. Die Balance war viel besser.»
Was macht eine Bundesratskandidatin, deren Sieg bereits feststeht? Sie reist am Abend vor der Wahl locker nach Stuttgart und schaut sich den Match Schweiz gegen Frankreich an der Fussball-WM an.
So verbrachte Doris Leuthard (55) den 14. Juni 2006 – bevor sie am nächsten Tag zur Bundesrätin gewählt wurde. Die CVP hatte damals auf ein Einerticket gesetzt. So klar war es, dass die damalige Parteichefin in der Regierung Einsitz nehmen soll.
Das CVP-Einerticket mit Leuthard war das letzte – seither haben die Parteien stets ein Duo oder gar ein Trio präsentiert. Das wird auch heute wieder der Fall sein, wenn FDP und CVP Kandidaten für den
5. Dezember nominieren.
Bei beiden Parteien läuft es auf ein Zweierticket hinaus. Bei der FDP ist Ständerätin Karin Keller-Sutter (54, SG) gesetzt. Die Frage ist, ob es Ständerat Hans Wicki (54, NW) oder doch Regierungsrat Christian Amsler (54, SH) neben ihr aufs FDP-Ticket schafft.
Mehr Spannung verspricht die CVP-Wahl. Hier ist Vize-Fraktionschefin Viola Amherd (56, VS) die klare Favoritin für den ersten Ticketplatz. Für den zweiten Platz hat Ständerat Peter Hegglin (57, ZG) die Nase vorn. Doch punktet die eher unbekannte Regierungsrätin Heidi Z'graggen (52, UR) mit einem starken Auftritt, könnte es für Hegglin noch eine Zitterpartie werden. Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (54, BL) werden weniger Chancen zugerechnet.
Was macht eine Bundesratskandidatin, deren Sieg bereits feststeht? Sie reist am Abend vor der Wahl locker nach Stuttgart und schaut sich den Match Schweiz gegen Frankreich an der Fussball-WM an.
So verbrachte Doris Leuthard (55) den 14. Juni 2006 – bevor sie am nächsten Tag zur Bundesrätin gewählt wurde. Die CVP hatte damals auf ein Einerticket gesetzt. So klar war es, dass die damalige Parteichefin in der Regierung Einsitz nehmen soll.
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Mehr Spannung verspricht die CVP-Wahl. Hier ist Vize-Fraktionschefin Viola Amherd (56, VS) die klare Favoritin für den ersten Ticketplatz. Für den zweiten Platz hat Ständerat Peter Hegglin (57, ZG) die Nase vorn. Doch punktet die eher unbekannte Regierungsrätin Heidi Z'graggen (52, UR) mit einem starken Auftritt, könnte es für Hegglin noch eine Zitterpartie werden. Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (54, BL) werden weniger Chancen zugerechnet.