Herr Grunder, 2015 forderten Sie eine Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren für Parlamentarier. Gilt diese Grenze für Sie nicht?
Hans Grunder: Sicher gilt diese Grenze für mich! (Lacht.) Im Herbst ist es allerhöchste Zeit, dass ich das Bundeshaus verlasse. Ich habe diese Legislatur nur absolviert, weil meine Partei sich vor vier Jahren in Schieflage befand.
Dann verliert die BDP Ihren Sitz halt in diesem Jahr.
Nein, mit unserer Liste werden wir die drei Berner Sitze halten können.
Und wie präsentiert sich die nationale Lage?
Ich bin überzeugt, dass wir die Fraktionsstärke halten können. Einzig im Aargau könnte es knapp werden.
Am Anfang Ihrer Zeit im Nationalrat stand die Abspaltung der BDP von der SVP. Nun treten Sie zeitgleich mit Adrian Amstutz, einem der Aushängeschilder der SVP, ab. Öffnet dieser Generationenwechsel ein Fenster für die Versöhnung der beiden Parteien?
Nein, das lässt sich nicht mehr kitten. Vor zwölf waren wir uns inhaltlich noch nahe, heute tickt die BDP viel progressiver: in der Europapolitik, der Umweltpolitik und in der Gesellschaftspolitik.
Passt das überhaupt zu Ihrer Wählerschaft?
Die Gesellschaft hat sich verändert, also muss sich auch die Politik ändern. Nicht so wie die SVP, mit ihren Rezepten von vorgestern.
Warum ist die SVP dann so viel stärker als die BDP?
Sie politisiert mit der Angst, das verschafft ihr Zulauf. Wir in der Mitte haben es dagegen verpasst, rechtzeitig unsere Kräfte zu bündeln. Diese Baustelle müssen wir angehen: Es ist eine Illusion zu glauben, dass die GLP und die BDP im Alleingang längerfristig bestehen können.
Sind die flächendeckenden Listenverbindungen ein Anfang?
Ja, ein positiver Anfang. Nach den Wahlen, da bin ich fest davon überzeugt, wird man eine engere Kooperation angehen. Im Parlament können Sie nur mit einer gewissen Grösse etwas bewegen. Gelingt die Kooperation, wird die progressive Mitte irgendwann auch wieder im Bundesrat vertreten sein.
Eine Kooperation ohne CVP?
Die CVP würde eigentlich dazugehören. Aber unter Gerhard Pfister hat sich die Partei in eine andere, konservative Richtung entwickelt. So lange er am Ruder ist, wird es keine Annäherung geben.
Weiss GLP-Präsident Jürg Grossen schon von diesen Plänen?
Ich bin nicht mehr in der Parteileitung. Aber ich habe mit ihm Gespräche geführt. Vor den Wahlen ist aber nicht der richtige Zeitpunkt, eine solche Kooperation zu vertiefen.
BDP-Präsident Martin Landolt gibt die Führung der Partei im Frühling 2020 ab. Wen wünschen Sie sich als seinen Nachfolger?
Ich nenne sicher keine Namen. Aber eine Frau wäre wünschenswert.
Nachdem Sie die BDP gemeinsam aus der Taufe gehoben hatten: Wie eng standen Sie als Parteipräsident Ihrer Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf?
Vor allem am Anfang haben Eveline und ich uns fast täglich ausgetauscht. Sie hatte ja keine Hausmacht in Bern. Aber unsere Beziehung war nicht immer konfliktfrei. Verständlich, wenn eine «Steingeiss» auf einen «Emmentaler Gring» trifft (lacht).
Nach den Wahlen 2015 trat Eveline Widmer-Schlumpf zurück. Wie haben Sie sie am Wahlabend erlebt?
Ich besuchte sie in ihrem Berner Büro. Sie war sehr aufgewühlt. Gerade die Wahl von Magdalena Martullo-Blocher in Graubünden machte ihr zu schaffen. Sie hatte aber immer gesagt: Gehen BDP, CVP und GLP in einer Fraktionsgemeinschaft zusammen, würde sie im Amt bleiben. Doch die CVP war dabei, sich neu auszurichten. Da entschied sich Eveline noch am Wahlabend, ihr Amt aufzugeben.
Davor mussten Sie im Parlament Mehrheiten für Ihre Bundesrätin zimmern. Gleichzeitig haben Sie noch ein Ingenieurbüro geführt. Wie ging das aneinander vorbei?
Ich komme heute noch mit fünf Stunden Schlaf aus. Und ich konnte mich auch auf gute Leute verlassen.
Sie erlitten zwei Schlaganfälle in Ihrer Zeit im Parlament. Hatten Sie sich übernommen?
Ich betrieb sicher Raubbau an meinem Körper. Inzwischen lebe ich gesünder.
Welchen Umgang pflegen Sie mit Christoph Blocher, dessen Abwahl am Beginn der Geschichte der BDP steht?
Ich habe auch in der SVP immer meine Meinung vertreten. Das brachte mir einen gewissen Respekt ein. Unser Umgang war stets korrekt. Selbst als wir die BDP gründeten.
Da hatten Sie mit Herrn Blocher Kontakt?
Ja. Wenige Augenblicke bevor ich die Gründung der BDP öffentlich bekannt gab, rief mich Christoph Blocher an und sagte freundlich, er habe Verständnis für mich. Er hat vergeblich versucht, mich davon abzubringen. Aber auf eine gute Art.
Sie haben Ihre Firma verkauft, der Abschied aus der Politik steht bevor: Was machen Sie künftig den lieben langen Tag?
Ich werde jetzt sicher nicht auf der faulen Haut liegen! Ich habe eine Beratungsgesellschaft gegründet und schaue zu 25 Pferden. Und ich bin ja jetzt auch Grossvater. Unser Enkel ist einmal in der Woche bei uns. Das macht mehr Freude als vieles hier in Bundesbern.
Sie wollen uns doch nicht weismachen, dass Sie nach zwölf Jahren Politik einfach knall auf Fall aufhören können!
Ich kann Ihnen versprechen: Hier im Bundeshaus wird man mich nicht mehr antreffen. Es war ja nicht immer nur schön. Nach der Gründung der BDP stand ich ein halbes Jahr unter Personenschutz. Die Strategie der SVP, flankiert von der «Weltwoche», war es ja, mich mundtot zu machen. Was da über mich verbreitet wurde, war jenseits von Gut und Böse. Verschiedene Leute liessen sich davon anstacheln. Wenn man eine Familie mit kleinen Kindern hat, geht so eine Zeit nicht spurlos an einem vorbei.