BDP-Chef Martin Landolt erklärt das Glarner Nein zum Burkaverbot
«Das Burkaverbot ist etwa gleich nötig wie ein Krokodilverbot im Walensee»

Die Glarner Landsgemeinde lehnt ein kantonales Burkaverbot ab. BDP-Chef Martin Landolt erklärt im BLICK-Interview den Entscheid seines Kantons.
Publiziert: 08.05.2017 um 16:29 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:00 Uhr
Der Glarner Nationalrat und BDP-Chef Martin Landolt zum Burkaverbots-Nein seines Kantons: «Wir haben entschieden, dass wir individuelle Freiheiten hochhalten, solange sie nicht die Freiheiten anderer einschränken.»
Foto: Siggi Bucher
Interview: Ruedi Studer

Im Kanton Glarus wird es, anders als im Tessin, kein Burkaverbot geben. Die Stimmbürger haben das Vermummungsverbot gestern an der Landsgemeinde deutlich abgelehnt. Ein herber Rückschlag für die Burkagegner um SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Er sammelt derzeit Unterschriften für eine nationale Verhüllungsverbots-Initiative.

In der «Aargauer Zeitung» zeigt sich Wobmann zwar enttäuscht ob des Glarner Resultats, aber nicht entmutigt. Als Hauptursache fürs Nein sieht er, dass die Glarner eine schweizweite Lösung bevorzugen würden anstelle von «26 Einzellösungen». Und: «Die Teilnehmer der Landsgemeinde sind tendenziell staats- und obrigkeitsgläubig.» Bei einer Urnenabstimmung zeige sich ein anderes Bild, ist sich Wobmann sicher.

Der Glarner Nationalrat und BDP-Chef Martin Landolt nahm an der Landsgemeinde teil. Im BLICK-Interview erklärt er das Votum und kontert seinem Ratskollegen Wobmann. 

BLICK: Herr Landolt, die Glarner gelten doch als konservativ. Warum haben sie das Burkaverbot trotzdem abgelehnt?
Martin Landolt: Wir Glarnerinnen und Glarner sind progressiv und liberal. Wer glaubt, wir seien konservativ, ist schlichtweg falsch informiert. Gerade die Landsgemeinde hat immer wieder fortschrittliche Entscheide gefällt, wie zum Beispiel die Gemeindestrukturreform oder das Stimmrechtsalter 16. Am Sonntag ging es insbesondere darum, Freiheiten zu verteidigen. Und als liberales Stimmvolk tragen wir eben auch den Freiheiten der «anderen» Sorge. 

Würde das Resultat in einer Urnenabstimmung anders ausfallen? Immerhin hat Ihr Kanton ja auch die Minarett-Initiative deutlich befürwortet.
Wir Glarnerinnen und Glarner sind keine Feiglinge, die sich in der Anonymität der Urne anders verhalten als an der Landsgemeinde. Aber wir befinden an der Landsgemeinde über kantonale und an der Urne über nationale Sachgeschäfte. Diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen können auch mal zu unterschiedlichen Antworten führen.

Sehen Sie im gestrigen Votum ein Signal für die ganze Schweiz? 
Wir haben am Sonntag entschieden, dass es in unserem Kanton kein Verbot braucht, weil wir hier schlichtweg kein Problem haben. Wir haben aber auch entschieden, dass wir individuelle Freiheiten hochhalten, solange sie nicht die Freiheiten anderer einschränken. Ich würde mich freuen, wenn dieses wertvolle Signal über unsere Kantonsgrenze hinaus Wirkung entfaltet.

SVP-Nationalrat Walter Wobmann hält die Landsgemeinde-Teilnehmer für «tendenziell staats- und obrigkeitsgläubig». Geben Sie ihm recht?
Was ist denn das für ein Demokrat?! Wir haben an der Landsgemeinde eine breite und emotionale, aber hochanständige Diskussion geführt. Und diese wurde kaum von der Politik, sondern vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern geprägt. Eine bessere Art von Meinungsbildung gibt es nicht, eine bessere Art von direkter Demokratie besteht nicht. Die Glarner Landsgemeinde entspricht quasi den Olympischen Spielen der Demokratie. Walter Wobmann soll bitte nach seiner Niederlage jetzt nicht unsere Landsgemeinde schlechtreden und meine Mitlandsleute als obrigkeitsgläubig bezeichnen.

Sie lehnen auch das nationale Verhüllungsverbot ab, welches Wobmann mit seiner Initiative fordert. Weshalb?
Für mich ist ein Burkaverbot etwa gleich nötig wie ein Krokodilverbot im Walensee. Wo kein Problem ist, braucht es keine Verbote. Es geht hier um eine typische Stellvertreterdebatte, die von den Populisten als Bühne missbraucht wird.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?