IS-Terroristen haben einen Mythos zerstört: Jenen von der Unzerstörbarkeit des Kampfpanzers Leopard 2. Bei Kämpfen mit türkischen Streitkräften in der Stadt al-Bab in Syrien wurden erstmals mehrere dieser Panzer in Grund und Boden geschossen.
Kämpfer der Terrormiliz griffen die Kettenfahrzeuge im Dezember 2016 von hinten und von der Seite an. Dort, wo die Ungetüme nicht so gut geschützt sind wie vorn. Russische Anti-Panzerwaffen vom Typ Kornet sollen alleine für sechs von zehn Ausfällen verantwortlich sein. Weder im Kosovo noch bei Kämpfen in Afghanistan ging auch nur ein einziges Raupenfahrzeug verloren. Dort fuhr zwar ein Leopard der Kanadier auf eine Sprengfalle der Taliban – die Besatzung überlebte aber.
Die Leoparden in Syrien gingen in bebautem Gebiet in Flammen auf. Sie sind baugleich mit jenen der Schweizer Armee. Das schürt die Diskussion, ob die 60 Tonnen schweren Ungetüme überhaupt für Einsätze im Umfeld von Siedlungen geeignet sind und wie sie zu schützen wären. Denn das Grundkonzept der schweren Kampfpanzer stammt noch aus dem Kalten Krieg – als man den Feind von vorne erwartete und mit grossen Panzerschlachten rechnete.
Armasuisse kennt «abgeschossene Leopard-Kampfpanzer»
Weil die zerstörten Panzer mit dem Schweizer Modell identisch sind, beschäftigen die Vorfälle auch die bundeseigene Rüstungsagentur Armasuisse. Laut deren Sprecher Kaj-Gunnar Sievert (51) gehört das Analysieren von Einsätzen, Konflikten und Erfahrungen anderer Streitkräfte zur täglichen Arbeit im VBS. So auch die abgeschossenen oder auf dem Gefechtsfeld zurückgelassenen türkischen Leopard-Kampfpanzer in Syrien.
Sievert geht aber davon aus, dass auch andere Panzertypen mit vergleichbaren Panzerabwehr-Lenkwaffensystemen ausser Gefecht gesetzt worden wären. Dafür spricht, dass auch im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beide Seiten zahlreiche Panzer verloren – aus ähnlichen Gründen wie in Syrien.
Gewichte verschieben sich
Sicherheitspolitiker in Bern kennen die Bilder aus Syrien. Nationalrat Marcel Dobler (36, FDP/SG) sagt: «So schnell können Waffensysteme vom technologischen Fortschritt überholt werden.» Die Gewichte würden sich verschieben, «wenn eine Anti-Panzerwaffe, die vielleicht 10'000 Franken kostet, einen millionenteuren Kampfpanzer erledigen kann».
Schutzsysteme gegen solche Angriffe und zusätzliche Panzerungen für die Fahrzeuge seien bald serienreif. Ähnlich wie bei Artillerie und Luftwaffe stelle sich jetzt auch bei den Panzern die Frage, was die Schweizer Armee brauche, um im Ernstfall zu bestehen. Vor kurzem hat Dobler eine Interpellation eingereicht: Er will wissen, wie gross der Finanzbedarf der Armee wirklich ist.
Fraglich, ob Nachrüstung sinnvoll
Anders sieht es Nationalrat Beat Flach (52, GLP/AG): «Eine weitere Nachrüstung ist vermutlich nicht sinnvoll.» Der Leopard müsse ab 2031 ersetzt werden. Flach bezweifelt, dass die Schweiz überhaupt noch solche Panzer benötigt.
Sollten Panzer vermehrt als Allzweckwaffe verwendet werden, bekomme der Zielkonflikt zwischen Panzerung und Mobilität noch grösseres Gewicht. «Langsam und mit unüberhörbarem Gedröhne durch eine Stadt zu fahren, um Infanterietruppen zu unterstützen, ist nicht die Stärke des Kampfpanzer», findet er. Je enger und je unübersichtlicher eine Siedlung, desto verwundbarer werde er.
Für Ständerat Josef Dittli (60, FDP/UR) ist es nicht angemessen, diese Sache aufgrund von Berichten in der Kommission zu traktandieren. Bisher habe der «Leo» die Anforderungen vollumfänglich erfüllt. Er geht davon aus, dass Schweizer Armee und Armasuisse diese Berichte bearbeiten: «Dies kann je nach Beurteilung dann zu Kreditvorlagen führen.»