Sie arbeiten rund 65 Stunden pro Woche, kümmern sich um den Hof, die Kinder, den Haushalt: Die Schweizer Bäuerinnen sind das Rückgrat der hiesigen Landwirtschaft. Doch noch immer müssen die Frauen für ihre Rechte kämpfen.
Bäuerinnen haben keinen Mutterschutz
Das Problem: Bäuerinnen rechnen ihre Arbeit als Familienarbeitskräfte auf dem Betrieb in der Regel nicht individuell ab. Sie sind also sozial meist nicht abgesichert. Im Fall einer Scheidung oder beim Todesfall des Mannes stehen sie im Regen. Und kriegt eine Bäuerin ein Kind, hat sie keinen Mutterschutz.
Jetzt probten die Bäuerinnen den Aufstand: Im Zuge der Agrarpolitik 2022 des Bundes forderte der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV), dass eine soziale Absicherung der Bäuerinnen als Einstiegskriterium für Direktzahlungen definiert wird. Sprich: Wer nicht dafür sorgt, dass die Frauen auf dem Hof im Alter nicht diskriminiert werden, soll kein Geld vom Bund erhalten.
«Hat mich leider nicht überrascht»
Dies beantragte Christine Bühler (59), Präsidentin des SBLV und somit oberste Bäuerin der Schweiz diese Woche bei der Versammlung der Landwirtschaftskammer, dem Parlament des Schweizer Bauernverbands (SBV). Doch Bühler hatte keine Chance, ihr Antrag wurde laut «Bauernzeitung» «klar abgelehnt».
«Die grosse Ablehnung hat mich leider nicht mal überrascht. Die Bauern wollen einfach keinen Teil der Macht abgeben», sagt Bühler zu BLICK. «Die Gesellschaft ist heute weiter. Der Mann entscheidet nicht mehr alleine. Er ist nicht mehr der alleinige Verwalter der Finanzen. Aber auf dem Bauernhof soll das noch weiter so gelten? Dagegen wehren wir uns!»
Bäuerinnen hoffen auf Bundesrätinnen
Bäuerinnen hätten noch nicht einmal eine Mutterschaftsversicherung, von der Rentensicherung ganz zu schweigen. «Alle sind sich einig, dass die Arbeit der Bäuerinnen wichtig ist. Aber wert soll sie nichts sein. Das ist mehr als stossend und nicht mehr zeitgemäss»
«Wir hoffen auf das Parlament – und auf unsere neuen beiden Bundesrätinnen. Frau Amherd und Frau Keller-Sutter haben hoffentlich Verständnis für uns Bäuerinnen. Wir brauchen dringend eine soziale Absicherung. Die Situation jetzt ist untragbar, sie schwächt Bauernfamilien. Und sie macht den Bäuerinnenberuf unattraktiver.»
Bauernpräsident Ritter: «Situation ist verbesserungswürdig»
Das Problem sei schon erkannt, das Mittel dagegen aber das falsche, sagt Francis Egger, Politikchef beim Bauernverband. Bauernverbandspräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter (51) betonte, dass die Forderung schlecht umzusetzen wäre und darum auch die Landwirtschaftsdirektorenkonferenz den Vorschlag klar ablehne.
Man sei sich aber schon bewusst, «dass die jetzige Situation verbesserungswürdig ist.» Ritter will, dass bei Investitionskrediten und Starthilfen eine Versicherungsberatung obligatorisch wird.