SP-Schwergewicht Jacqueline Badran zur Wahlschlappe ihrer Partei
Darum haben wir wichtigere Probleme als die Sexismus-Debatte

SP-Nationalrätin Jacqueline Badran findet, die SP brauche keine Neuausrichtung. Das Problem sei ein anderes: Der Partei seien die Antworten auf die grossen Fragen abhanden gekommen.
Publiziert: 09.11.2019 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2019 um 11:16 Uhr
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Debatten darüber, ob sich die Partei mehr nach links oder mehr nach rechts bewegen solle, seien der falsche Ansatz, findet SP-Nationalrätin Jacqueline Badran.
Foto: KEYSTONE
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Camilla AlaborRedaktorin

Drei Wochen nach der Wahlniederlage geht bei den Genossen der Streit los: Was sind die Gründe für das schlechte Resultat? Während die Juso einen prononcierten Linkskurs fordern, warnt der rechte Flügel genau davor. SP-­Nationalrätin Jacqueline Badran, die weit über die Parteigrenzen hinaus gewählt wurde und als Zürcher Panaschierkönigin gilt, ist sicher: Das Problem der SP liegt ganz woanders.

Frau Badran, warum hat die SP bei den Wahlen so schlecht abgeschnitten?
Jacqueline Badran: Das Paradox ist: In den Kantonen und Gemeinden haben wir die letzten vier Jahre konstant Sitze hinzugewonnen. Bei den nationalen Wahlen jedoch haben wir es nicht geschafft, zusätzliche Wähler zu mobilisieren – im Gegensatz zu den Grünen. Wieso, ist unklar. Vermutlich ist uns die grosse Vision abhandengekommen.

Was meinen Sie damit?
Wir stolpern derzeit von einer Krise zur nächsten. Die Finanzkrise, die Eurokrise, die Flüchtlingskatastrophe, viele Bürgerkriege, der Klimawandel, die Digitalisierung! Die Jungen leben mit dem Wissen, dass sie die erste Genera­tion seit langem sind, die es schlechter haben wird als ihre Eltern. In diesen unruhigen Zeiten ist das Verlangen nach einem Umbruch riesig. Die Grünen und Grünliberalen als – vermeintlich – neue Kräfte haben diese Sehnsucht bedient. Sie sind zur Projektionsfläche geworden.

Am SP-Wahlkampf hat es nicht gelegen, dass die Wähler zu den Grünen übergelaufen sind?
Wir hätten mehr oder weniger Wahlkampf machen können, das hätte vermutlich keinen Unterschied gemacht. Die Leute wollen einen Umbau der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Und sie hatten das Gefühl, dass die Volksparteien für einen solchen Umbruch die Falschen sind. Wir sind ja nicht die einzige Volkspartei, die verloren hat: SVP, FDP und CVP ging es genauso.

Keinerlei Selbstkritik?
Doch! Erstens verlieren wir uns auf Nebenschauplätzen. Wir verlassen den Pfad der Tugend, wenn wir versuchen, gesamtgesellschaftliche Phänomene allein politisch zu regeln.

Wie meinen Sie das?
Einem 60-jährigen Handwerker, der in seinem Spind ein Pin-up-Girl hängen hat, vorzuwerfen, er sei ein sexistisches Arschloch, bringt nichts und stimmt vielleicht auch gar nicht. Oder die Debatte darüber, ob man den Mohrenkopf noch «Mohrenkopf» nennen darf. Bitte schön! Das sind doch nicht die Probleme, die wir angehen müssen.

Und der zweite Punkt?
Uns ist die grosse Frage abhandengekommen. Der SP fehlt die sinnstiftende Erzählung, in die alles eingebettet ist. Wir sind Opfer des eigenen Erfolges geworden und haben uns darauf beschränkt, die riesigen Errungenschaften der Sozialdemokratie des letzten Jahrhunderts zu verteidigen. Wir sind genötigt, Kollateralschäden abzuwenden, und haben uns darin verstrickt, die Brösmeli, die das System noch abgibt, grösser machen zu wollen. Das ist richtig, hält uns aber von der eigentlichen Aufgabe ab.

Die da wäre?
Eben die fehlende Antwort auf ein wieder zunehmend ausbeuterisches System! Und ich kann Ihnen auch gerne sagen, worauf diese Antwort meiner Meinung nach basieren sollte.

Bitte.
Wir müssen unser heutiges Wirtschaftssystem umbauen. Hin zu einer postkapitalistischen Gesellschaft, die nicht mehr dem Wachstumszwang unterworfen ist.

Das heisst?
Nur weil wir die Ausbeutung nicht mehr vor der eigenen Haustüre haben, ist sie nicht verschwunden – wir haben sie einfach ins Ausland ausgelagert. Darum geht es bei der SP seit jeher: Wir sind gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur.

So neu klingt das jetzt nicht ...
Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich alle Antworten habe. Deswegen müssen wir jetzt die Köpfe zusammenstecken – und eine neue Geschichte entwickeln, welche die globalen Probleme angeht.

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