Die Schweizerische Post richtet ihre neue Strategie auf gezieltes Wachstum in den Bereichen Logistik und digitale Information aus. Dafür lagert sie ihre defizitären Filialen in eine eigene Aktiengesellschaft aus.
800 Poststellen sollen bleiben und für Dienstleistungspartner geöffnet werden. Pakete und Briefe werden zudem in einem Bereich zusammengelegt. Der Umbau soll 2021 beginnen.
«Drittanbietern reissen Post nicht aus Finanzloch»
Wettbewerbsökonom Samuel Rutz (49) von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse steht den Plänen skeptisch gegenüber. «Es ist einmal mehr eine verpasste Chance, grundsätzliche Fragen zu stellen. Nämlich wie die Grundversorgung in der digitalen Welt aussehen soll und was wir uns künftig leisten können und wollen», so Rutz.
«Nach wie vor leistet sich die Schweiz im Vergleich mit dem Ausland eine Luxusversorgung.» Deshalb sollte zum Beispiel hinterfragt werden, ob zur Grundversorgung eine tägliche Postzustellung in die entlegensten Winkel der Schweiz gehören müsse.
Wenn ein Staatsbetrieb eine Wachstumsstrategie anstrebe, um die wegbrechenden Umsätze zu kompensieren, würden bei ihm die Alarmglocken läuten, so der Avenir-Suisse-Mann. «Die Post fährt eine Hochrisikostrategie. Wenn sie fehlschlägt, wird der Steuerzahler die Zeche berappen müssen.»
Als positiv erachtet er zwar, dass die Postfilialen für Drittanbieter geöffnet werden sollen. Das sei aber nur die zweitbeste Lösung. «Besser wäre es, die kostspieligen Infrastrukturen zu hinterfragen und auf das in einer digitalen Welt Notwendige zu reduzieren», so Rutz. «Mit den Drittanbietern wird der Verlust vielleicht kleiner, sie werden die Post aber nicht aus ihrem Finanzloch reissen.»
Post muss bei Politikern antraben
Grundsätzlich zufrieden zeigt sich Grünen-Nationalrat Michael Töngi (53, LU), Präsident der für die Post zuständigen nationalrätlichen Verkehrs- und Fernmeldekommission. «Eine gute Strategie ist wichtig. Ich bin froh, dass der Poststellenabbau nicht noch weiter vorangetrieben wird.»
Allerdings müsse man genau hinschauen, welche Partner künftig die Poststellen mitbenutzen könnten. «Ist es die öffentliche Hand, die zum Beispiel einen Gemeindeschalter betreibt, ist es unproblematisch», so Töngi. Bei Privaten werde es schwieriger. «Bieten künftig auch Versicherungen oder Krankenkassen ihre Dienstleistungen auf der Post an? Geschäftsmodelle zusammen mit Privaten sind für ein staatliches Unternehmen heikel.»
Am 26. Mai ist die Post bei Töngis Kommission zu Gesprächen eingeladen. «Dann werden wir solche Fragen erörtern», so Töngi. Der grüne Politiker ist aber überzeugt, dass die Post künftig weitere Instrumente in die Hand bekommen muss, um die Einnahmen und damit die Grundversorgung zu sichern. «Die Frage der Kredit- und Hypothekarvergabe durch die Postfinance muss rasch auf den Tisch kommen, um die Einnahmen zu stabilisieren.»
Gewerkschaft zeigt sich besorgt
Die Gewerkschaft Syndicom macht sich derweil Sorgen um die Postangestellten und verlangt «enge Leitplanken» für den Umbau. Sie wehrt sich gegen eine allfällige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Ihre Forderung: Der Gesamtarbeitsvertrag der Post müsse für alle Bereiche unverändert gelten. Zudem müssten die Angestellten in den Umbauprozess einbezogen werden.
Versprechen würden nicht ausreichen, macht Syndicom-Vertreter Matteo Antonini klar: «Wir werden auf Verpflichtungen beharren, und auch die Politik ist gut beraten, die Ansprüche der Bevölkerung gesetzlich abzusichern. Ansonsten kann aus dem Umbau rasch ein Abbau werden.»