Ausländer! Steuerabzug! CEOs!
7-Punkte-Plan für unser Milizsystem

Immer weniger Bürger sind bereit, ein politisches Amt im Dorf wahrzunehmen. Der Milizgedanke ist nicht mehr weit verbreitet. Und auch der Nachwuchs rückt nicht nach. Wie weiter? Zwei Politikwissenschaftler stellen ihre Lösungsvorschläge vor.
Publiziert: 27.04.2018 um 14:09 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 22:30 Uhr
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Gemeindefusionen könnten das Milizsystem retten. Die Glarner Landsgemeinde beschloss 2006 die radikalste Gemeindereform in der Schweizer Geschichte. 25 Glarner Ortsgemeinden reduzierten ihre Zahl auf drei.
Foto: Keystone
Nicola Imfeld

Das Schweizer Milizsystem bröckelt. Jede zweite Gemeinde hat Mühe, Personal für den Gemeinderat zu finden, wie BLICK diese Woche publik machte. Ausserdem erfolgt jede fünfte Wahl eines Gemeinderats heute still – also ohne Gegenkandidatur. Dazu kommt: Der Lokalpolitik geht der Nachwuchs aus, wie exklusive Zahlen der HTW Chur belegen.

Wie weiter also mit dem Milizsystem? Die Politikwissenschaftler Oliver Dlabac und Pirmin Bundi haben teils revolutionäre Ideen. BLICK stellt den 7-Punkte-Plan zur Rettung des Milizsystems vor.

Ausländer in den Gemeinderat

Pirmin Bundi ist Politikwissenschaftler an der Universität Bern. Er fordert: «Gebt den Ausländern mit C-Ausweis ein passives Wahlrecht.»
Foto: zVg

1,3 Millionen Menschen leben aktuell mit einer Niederlassungsbewilligung in der Schweiz. Pirmin Bundi fordert: Ausländer mit C-Ausweis sollen das passive Wahlrecht erhalten. Das würde bedeuten, dass sie in den Gemeinderat gewählt werden könnten. «Eine Öffnung des Milizamts könnte die Schweizer Bürger entlasten, da das Potenzial an Freiwilligen plötzlich viel grösser wäre.»

CEOs für die Gemeindeverwaltungen

Um ihr Pensum möglichst niedrig zu halten, sollen sich Gemeinderäte lediglich auf strategische Entscheide konzentrieren. «Die operative Umsetzung würde ein Geschäftsführer übernehmen», sagt Dlabac. Gerade in kleinen Gemeinden mit ein bis zwei Angestellten würde die Aufstockung um einen CEO Wunder bewirken, ist er überzeugt.

Steuerabzug für Milizler

Einer der Hauptgründe für die Personalnot: Der Gemeinderat ist zu wenig attraktiv. Höhere Entschädigungen seien nicht die Lösung, sagt Bundi. «Aber interessanter könnten andere finanzielle Vorteile sein, wie beispielsweise ein steuerlicher Abzug oder die Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge.»

Mehr Gemeindefusionen

Oliver Dlabac ist Politikwissenschaftler am Zentrum für Demokratie Aarau. Er fordert: «CEOs für die kleinen Gemeinden.»
Foto: Zvg

«Zusammenschlüsse von Gemeinden stärken das Milizsystem», sagt Dlabac. Das Festhalten an kleinräumigen Gemeindegrenzen könne man sich nicht mehr leisten. «Fusionen setzen personelle Synergien frei und eröffnen neue Handlungsoptionen.»

Bürgerdienst einführen

Jeder Bürger und jede Bürgerin sollen eine gewisse Anzahl Diensttage absolvieren müssen. «Man könnte zwischen der Armee, dem Zivilschutz oder einem politischen Milizamt auswählen», sagt Bundi. Der Dienst soll finanziell entschädigt werden. Ein weiterer Vorteil des Bürgerdienstes: «Alle Bevölkerungsschichten könnten für das Milizsystem mobilisiert werden.»

Teilzeitpensen

Ein klar abgegrenztes Teilzeitamt würde ein reduziertes Pensum im Hauptberuf ermöglichen. «Das wäre für Berufseinsteiger sowie für Frauen und Männer, die Wert auf Freizeit legen, attraktiv», sagt Dlabac. Ein politisches Amt würde so keine finanzielle Einbussen mehr mit sich bringen.

Umdenken der Arbeitgeber

Die meisten Schweizer Unternehmen haben ein positives Bild des Milizsystems und anerkennen dessen gesellschaftliche Bedeutung, wie eine Studie 2016 zeigte. Aber: «Die Unterstützung der Arbeitgeber hört schnell auf, sobald ihre Mitarbeitenden ein Milizamt innehaben», sagt Bundi. Der Politikwissenschaftler fordert von den Arbeitgebern, Milizler vorbehaltlos zu unterstützen. 

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