Ausgerechnet vor USR-III-Abstimmung – Finanzkontrolle rüffelt Landesregierung
Bundesrat schlampt bei Prognosen!

Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat anhand von 50 Beispielen untersucht, wie gut der Bundesrat die Auswirkungen von Gesetzen abschätzt. Das Urteil ist vernichtend – und kommt im dümmsten Moment kurz vor der USRIII-Abstimmung.
Publiziert: 09.02.2017 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:55 Uhr
Stimmen seine Prognosen zur USR III? Finanzminister Ueli Maurer.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Am Sonntag stimmt die Schweiz über die Unternehmenssteuerreform III ab. Eine Reform, deren Auswirkungen höchst umstritten sind: Im Abstimmungsbüchlein mag der Bundesrat denn auch nicht beziffern, was auf Kantone und Gemeinden zukommt. Für seine eigene Kasse nennt er immerhin Steuerausfälle von 1,1 Milliarden Franken. 

Doch kann man sich auf die Informationen des Bundesrats verlassen? Nein, sagt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK). Sie hat bei insgesamt 50 Gesetzesentwürfen der Landesregierung untersucht, wie zutreffend diese die Folgen der jeweiligen Vorlage beschreiben.

Ämter sollen Gesetze schönrechnen

Das Ergebnis ist vernichtend: Die Zuverlässigkeit der Aussagen sei «fragwürdig», so die EFK. Und noch schlimmer: Die EFK ist überzeugt, dass die Bundesräte Druck auf die zuständigen Ämter machen, die Gesetze schönzurechnen.

Etwa bei der Einführung des Cassis-de Dijon-Prinzips: Damals wurden den Konsumenten Einsparungen von zwei Milliarden Franken versprochen, weil in der EU produzierte Waren keine Bewilligung für den Schweizer Markt benötigen. Zudem sagte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ein Wachstum von 0,5 Prozent voraus. Beides habe sich nicht erfüllt, so die Finanzkontrolleure.

Diese Prognose sei mit substanziellen Unsicherheiten verbunden gewesen. Dennoch habe das Wirtschaftsdepartement vom Seco erwartet, «die positiven Wirkungen mit Zahlen zu untermauern», so EFK-Direktor Michel Huissoud.

Fehler auch bei USR II und Familienbesteuerung

Daneben lag der Bundesrat auch bei der Familienbesteuerung im Jahr 2009. Die Steuerverwaltung rechnete wegen des Abzugs von Fremdbetreuungskosten mit Ausfällen von 360 Millionen. Später stellte sich heraus, dass die Kosten 300 Millionen tiefer lagen.

Und nicht zuletzt reibt die EFK dem Bundesrat auch nochmals die letzte Unternehmenssteuerreform unter die Nase. 2008 hatte der Bundesrat Steuerausfälle von 500 Millionen Franken vorhergesagt. «Heute spricht man von Einbussen in Milliardenhöhe», hält die EFK fest.

Oft wird gar keine Prognose erstellt

Dabei steht der Bundesverwaltung mit der sogenannten Regulierungsfolgeabschätzung durchaus ein Instrument zur Verfügung, um die Auswirkungen von Gesetzen zu überprüfen. Doch es wird zu wenig genutzt: In 58 Prozent der von der EFK untersuchten Fälle führten die zuständigen Bundesämter keine Folgeabschätzung durch – obwohl sie eigentlich dazu verpflichtet sind.

Beispiele dafür sind die Swissness-Vorlage, die regelt, unter welchen Bedingungen ein Produkt mit dem Schweizerkreuz beworben werden darf, und die Neue Regionalpolitik, für die der Bund in acht Jahren immerhin 230 Millionen Franken ausgegeben hat.

Kümmern sich die Gesetze-Schmiede doch einmal um die Folgen ihrer Entwürfe, entsprechen ihre Abklärungen oft nicht einmal den Mindeststandards. Bei den Auswirkungen auf die Kantone versagt jede dritte Vorlage, bei den Folgen für Bund und Volkswirtschaft immerhin jede fünfte.

Insgesamt ein miserables Zeugnis für den Bundesrat, das die Glaubwürdigkeit der Regierung untergräbt. Wenige Tage vor der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III, bei der es nur um die Frage geht, wem man trauen soll, kommt es zudem zum dümmsten Zeitpunkt.

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