Ausgerechnet vor der Kündigungs-Initiative
Kontingente für Hochqualifizierte sollen fallen

Hochqualifizierten Ausländern soll es erleichtert werden, in der Schweiz zu arbeiten. Das fordern Politiker von FDP bis Grüne sowie Wirtschaftsvertreter. Brisant: Bald steht die Kündigungs-Initiative der SVP zur Abstimmung.
Publiziert: 30.12.2019 um 16:21 Uhr
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Gerade im Pharma- oder IT-Bereich finden Schweizer Firmen nicht genügend Fachkräfte. Der Grund sind auch die Kontingente für Angehörige aus Drittstaaten wie die USA oder Asien.
Foto: picture alliance / ROPI

Schweizer Konzerne verlegen ganze Abteilungen ins Ausland. Andere Unternehmen drohen sogar damit, gleich ganz abzuwandern. Der Grund: Sie können nicht genügend Fachkräfte aus Drittstaaten wie den USA oder Asien anstellen. Das kann nicht sein, findet der neu gewählte FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (25). Mit seinem ersten Vorstoss überhaupt fordert er deshalb, dass der Bundesrat die geltenden Kontingente lockert.

Konkret soll der Bund in Branchen mit tiefer Arbeitslosigkeit die Kontingente aufheben können. «Start-ups kämpfen in der Schweiz primär mit zwei Schwierigkeiten: der Verfügbarkeit von Kapital und von Talenten», sagt Silberschmidt im «Tages-Anzeiger». «Beim Kapital haben wir Verbesserungen erreicht, aber bei den Talenten haben wir ein Problem.»

Prominente Unterstützer

Arbeitnehmer aus der EU können ohne Bewilligung in die Schweiz ziehen. Für Fachkräfte aus Drittstaaten aber gilt das nicht. Aufgeschreckt durch das Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative hatte der Bundesrat 2014 die Kontingente deutlich gesenkt – von insgesamt 8500 auf 6500 Bewilligungen. Mittlerweile sind es zwar wieder 8500. Gerade den Wirtschaftsmetropolen wie Zürich oder Basel reicht das aber bei weitem nicht.

«Die heutigen Kontingente sind möglicherweise zu tief angesetzt», findet Silberschmidt. Auch seien sie zu starr und kompliziert. «Heute brauchen Fachkräfte aus Drittstaaten nicht selten einen Master für eine Bewilligung. Dabei haben diese Fachkräfte gar nicht zwingend Ausbildungen, die in unser Raster passen.» Der FDP-Nationalrat steht mit seiner Forderung nicht alleine. Unterstützt wird er von CVP-Präsident Gerhard Pfister (57) oder Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli (47) sowie Vertretern von Grünliberalen und FDP.

Forderung kommt Keller-Sutter ungelegen

Die Forderung nach einer Kontingent-Lockerung kommt zu einem brisanten Zeitpunkt: Demnächst startet der Abstimmungskampf zur Kündigungs-Initiative der SVP. Die Partei sei durchaus bereit, der Wirtschaft jene Arbeitskräfte zuzulassen, die sie braucht, wird SVP-Nationalrat Andreas Glarner (57) im «Tages-Anzeiger» zitiert. Doch heute finde die Einwanderung nicht in den Arbeitsmarkt, sondern mit dem Familiennachzug in den Sozialstaat statt. «Solange die Schweiz die Personenfreizügigkeit hat, werden wir darum sicher nicht Hand bieten für die Aufhebung weiterer Kontingente.»

Wenig Freude dürfte Bundesrätin Karin Keller-Sutter (56) an der Forderung von Parteikollege Silberschmidt haben. Für die Migrationsministerin hat der Kampf gegen die Kündigungs-Initiative derzeit oberste Priorität. Entsprechend ungelegen dürften nun Forderungen nach einer ­Lockerung der Kontingente kommen.

Wirtschaftsvertreter hingegen drängen geradezu auf eine Reform des Kontingent-Systems. Studien würden belegen, dass Firmen in der Schweiz Mühe hätten, die gesuchten Talente zu finden. Die schweizerisch-amerikanische Handelskammer geht davon aus, dass es pro Jahr nochmals 1000 bis 1500 Bewilligungen braucht. (dba)

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